Structure follows strategy – das ist ein berühmter Ansatz des amerikanischen Historikers Alfred D. Chandler. Die Frage nach der richtigen Organisationsstruktur stellt sich immer wieder. Reorganisationen sind nicht nur in Konzernen, sondern auch bei Mittelständlern an der Tagesordnung. Denn Markt und Wettbewerb verändern sich. Deshalb müssen auch Unternehmen sich verändern. Die Strukturen müssen angepasst werden, damit Prozesse und Zusammenarbeit weiterhin im Sinne der Strategie laufen.

Kriterien für Organisationsdesign

Wie aber funktioniert das? Wie lassen sich Organisationsstrukturen aus der Strategie ableiten? Im Kern geht es immer darum, sowohl Entscheidungsprozesse als auch die notwendige Aufgabenverteilung möglichst sinnvoll zu organisieren. Einige Aspekte sind hier besonders relevant:

  • Art des Geschäfts und der Leistungserbringung (Produktlinien, Technologien, Fachkompetenzen)
  • geographische Ausdehnung der Geschäftstätigkeit (Länder, in denen gearbeitet wird)
  • interner Aufwand / Arbeitseffizienz bei Einhaltung von Qualitätsstandards
  • Flexibilität und Agilität der Arbeitsorganisation
  • Steuerbarkeit von Ressourceneinsatz und Profitabilität in der Leistungserbringung

Diese Kriterien scheinen klar. Trotzdem mündet das Organisationsdesign meist in einem Kompromiss. Will man das eine, kann man das andere nicht haben. Beispiel: Zentrale Steuerung bringt die Vorteile der Einheitlichkeit und Zielklarheit, steht aber im Widerspruch zu den Vorteilen von dezentraler Entscheidungskompetenz und Marktnähe. Oder: Spezialisierung ist effizient und bringt Qualitätsvorteile, gleichzeitig aber auch Herausforderungen in der Ressourcenplanung und Zusammenarbeit. Oder: Ländergesellschaften bearbeiten unterschiedliche regionale Märkte. Sind aber nicht alle Kompetenzen in allen Ländergesellschaften vertreten, bleibt es bei einer funktional geführten Organisation oder Projektorganisation. Organisationsstrukturen sind nie perfekt, sondern immer nur bestmöglich.

Structure follows strategy – sind damit die Probleme gelöst?

Structure follows strategy – oder besser: Structure follows processes follows strategy – das bedeutet vor allem, dass Menschen im Sinne der Strategie zusammenarbeiten können.

Ein wesentliches Ziel von Strukturveränderungen ist die Verbesserung des Zusammenspiels von Abteilungen. Dort ist oft Sand im Getriebe. Mal sind es die Schnittstellen zwischen Abteilungen, an denen Prozesse nicht sauber weitergeführt werden. Mal ist es die funktionale Steuerung quer zur Linie, die eine interne Supporteinheit ausüben soll und will. Mal sind es konkurrierende Einheiten, die nicht kooperieren. Es gibt jede Menge möglicher Blockaden und Ineffizienzen in Strukturen und Prozessen.

Wird sowas durch Strukturveränderungen besser? Kann schon sein. Sind Strukturveränderungen dafür die Lösung. Nicht unbedingt. Es ist doch erstaunlich, dass in wirklich komplizierten Konzernstrukturen manche Mitarbeitenden ganz unkompliziert in Zusammenarbeit mit anderen Ergebnisse erzielen. Es sind oft die langjährigen, gut vernetzten Kolleginnen und Kollegen, die einfach wissen, wen sie anrufen müssen, wenn sie etwas brauchen. Die kooperieren wollen und es auch tun. Sie bringen die Organisation zum Laufen, auch wenn Prozesse und Strukturen das eher verhindern als erleichtern. Mit anderen Worten: Wo keine Kooperationsbereitschaft ist, wird auch in neuen Strukturen nicht automatisch besser zusammengearbeitet. Structure follows strategy. Aber ob Menschen sich auf neue Strukturen einlassen, ist auch eine Frage der Kultur.

Hapert es an der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit, wird meist an mehreren Schrauben gedreht: Prozessorganisationen entlang durchgehender Geschäftsprozesse, projektorientierte Organisationen mit schwach ausgeprägter Linienführung und wechselnder Zusammenarbeit in wechselnden Rollen und Projekten, agile und demokratisch-partizipative Organisationsformen.

Strategie, Struktur und Kultur

Strukturen sind dann richtig, wenn sie nicht nur der Strategie folgen, sondern auch eine zur Strategie passende Kultur fördern. Dann besteht die Chance, dass Strukturen alte Blockaden lösen. Sicher ist, dass neue Strukturen auch neue Herausforderungen bringen. In jedem Fall erfordert eine Strukturveränderung, dass Führung, Zusammenarbeit und Entscheidungsprozesse bewusst gemacht und mitgestaltet werden.

Strategie Struktur Kultur

Gewinner und Verlierer

Vieles lässt sich lernen, an vieles kann man sich gewöhnen. Nie ganz verschwinden manche Wunden und Gräben, die durch Reorganisationen entstehen. Es gibt immer Gewinner und Verlierer, wenn Strukturen neu geschnitten, aufgelöst oder zusammengelegt werden.

Gestern noch Chef, heute noch Know-how-Träger in einer sich selbst organisierenden Organisation. Gerade eben zum Manager befördert, jetzt zwei Ebenen tiefer im Organigramm gerutscht. Eben noch bestens eingespielt mit dem Chef, heute mit einer neuen Führungskraft vor der Nase. Endlich zuständig für‘s Lieblingsthema, jetzt nur noch daran beteiligt.

Jede Reorganisation verändert Machtverteilungen, Besitzansprüche, Bedeutungen. Was auf der Sachebene logisch nachvollziehbar ist, kann auf der persönlichen Ebene unter Umständen Grabenkriege verursachen und die Motivation von Schlüsselpersonen oder Teilen der Belegschaft ankratzen.

Gestalten statt passieren lassen

Ein paar Fragen muss sich jedes Management-Team und jedes Reorganisationsprojekt stellen und in der Umsetzung beantworten. Manche Antworten müssen mit voller Transparenz allen Mitarbeitenden gegeben werden. Manche Themen verlangen volle Aufmerksamkeit hinter den Kulissen:

  • Warum wird reorganisiert? Was hat die Reorganisation mit der Strategie zu tun?
  • Warum wurde diese Organisationsstruktur gewählt? Was sind die Vorteile?
  • Wie funktioniert die neue Organisation? Welche Prozesse und Regeln gibt es?
  • Welche Gewinner und Verlierer gibt es? Wen wollen wir halten? Wen müssen wir besonders abholen?
  • Welche Ergebnisse sollen aus der neuen Organisation geliefert werden? Wofür machen wir das alles?

Wie und wann wem gegenüber welche Fragen beantwortet werden müssen, ist spezifisch und vom Meilensteinplan der Reorganisation abhängig ebenso wie von der Kultur des Unternehmens. Wie hoch die Beteiligung von Mitarbeitenden in der Ausgestaltung der Neustruktur sein sollte, wie viel kommuniziert wird, welche Stakeholder auf welche Weise gemanagt werden müssen – auch dafür gibt es kein Patentrezept. Planen Sie den Change rund um eine organisatorische Veränderung. Wenn Sie im Wandel Treiber statt Getriebene sind, ist der Neuaufbruch motivierend und positiv dynamisch.

Bildquelle: www.gograph.com

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