Was sind die Störfaktoren im Change? Wo liegt der Hase im Pfeffer? Mitarbeitende wissen oft ganz genau, was nicht gut läuft im Unternehmen. Sie kennen den Veränderungsbedarf. Sie klagen über das, was ihren persönlichen Arbeitsalltag erschwert und den Erfolg der Firma aus ihrer Sicht schmälert. Sie beklagen, was sie demotiviert und frustriert. Führungskräfte sehen die Dinge manchmal etwas anders. Aber auch sie würden gerne abstellen, was sie stört.

«Was müsste in Ihrem Unternehmen am ehesten verändert werden?», lautete im letzten Monat die Blitzlicht-Umfrage auf unsere Homepage. Die Antwortmöglichkeiten waren die üblichen Stellschrauben, an denen Organisationen immer wieder drehen. Die Ergebnisse zeigen: Geändert werden soll tendenziell, wofür man selbst nicht direkt verantwortlich ist, weshalb vermutlich häufiger Symptome als Ursachen behandelt werden.

Störfaktoren im Change: Strukturen und Prozesse

Mehr als ein Drittel der Umfrageteilnehmenden war der Meinung, die Organisationsstruktur sei ein häufiger Störfaktor im Change und müsse geändert werden. Reorganisationen sind häufig: Historisch gewachsene Strukturen werden aufgeräumt. Einheiten werden integriert, z.B. nach Zukäufen. Neue Produkte und Dienstleistungen verlangen nach eigenen Einheiten. Das Thema Innovation braucht organisatorisch einen separaten Ort. Unterstützungsfunktionen werden effizienter organisiert, vielleicht wird auch Personal abgebaut. Themen wird zentralisiert. Oder dezentralisiert.

In meinen Projekten habe ich alle Varianten von Organisationsstrukturen erlebt, am häufigsten Matrixstrukturen mit funktionalen Einheiten und marktorientierten Einheiten. Manch Matrixstrukturen sind sehr komplex, vor allem wenn die marktorientierten Einheiten nicht nur nach Regionen oder Ländern, sondern gleichzeitig auch nach Geschäftsfeldern, Produkten oder Marken aufgestellt sind. Matrixstrukturen können extreme Störfaktoren im Change sein.

Auch Projektorganisationen kenne ich gut. Sie passen zu Geschäftsmodellen oder Einheiten, die in temporären Engagements für Kunden arbeiten. Das gilt z.B. für Technologie-Anbieter oder Software-Hersteller, aber eben auch für interne IT-Abteilungen. In den letzten drei bis vier Jahren haben auch agile Arbeitsformen Strukturen verändert. Methoden, die ihren Ursprung in der Software-Entwicklung haben (Stichwort: Scrum), lösen heute z.B. als Holokratie traditionelle Organisationsstrukturen ab.

Ob nun diese oder jene Organisationsstruktur – es geht darum, Ressourcen effizient und produktiv einzusetzen. Dafür wird reorganisiert. Klappt danach alles besser? Selten. Organisatorische Anpassungen sind oft mühsam und sicher kein Allheilmittel. Schade ist allerdings, wenn die Mühsal einer Reorganisation umsonst war, weil die Organigramme auf dem Papier nie im Unternehmensalltag mit Leben erfüllt wurden.

Praktisch erlebbar: Schnittstellen und Kundenorientierung

In der Umfrage erhielten zwei Antworten je 20% der Klicks: «Prozesse und Schnittstellen» sowie «Kunden- und Marktorientierung». Das sind Varianten der Klage über eine performante Organisationsstruktur. Wer Prozesse und Schnittstellen für Störfaktoren im Change hält, ist meist unzufrieden mit bereichsübergreifender Zusammenarbeit. Wer Markt- und Kundenorientierung bemängelt, vermisst das gemeinsame Verständnis, dass der Unternehmenszweck sich immer von aussen definiert. Beides hängt miteinander zusammen.

Prozesse und Schnittstellen verbinden Beiträge mehrerer Organisationseinheiten so, dass am Ende ein Ergebnis im Sinne der Unternehmung entsteht. Das können interne Abläufe sein oder auch e2e-Leistungserbringung für Kunden. Dort liegt der Hase im Pfeffer. Ungenutzte Potenziale liegen in der Art und Weise, wie Angebote erstellt und zum Kunden gebracht werden – weniger am Angebotsportfolio selbst, das in der Umfrage nur 13% der Teilnehmenden verändern wollten.

Alle Organisationen sind lernende Organisation. Strukturen sorgen für nachhaltig wirksame Lektionen. Auch wenn sie nicht immer angenehm für die Mitarbeitenden oder förderlich für das Unternehmen sind. Wenn die Strukturen so sind, dass Silodenken incentiviert wird, lohnt sich bereichsübergreifende Zusammenarbeit nicht. Wenn es reicht, das eigene «Gärtli» zu hegen und zu pflegen, geht der Blick auch nicht über den Gartenzaun. Wie sollen dann Unternehmenssicht und Kundenerfahrung gedeihen?

Schlüssel zur Umsetzung: Führung und Zusammenarbeit

Wenn die Strukturen so sind, dass sie Strategieumsetzung erschweren und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens behindern, muss man sie ändern. Gerade für eher technisch denkende Führungskräfte, ist das eine gute Nachricht. Sie konzentrieren sich Strukturen und Prozesse.

Nur 11% der Umfrageteilnehmenden wollten Führung und Zusammenarbeit verändern – in dieser Umfrage das Schlusslicht der Veränderungsthemen. Ich habe dafür Verständnis. Kulturprojekte oder HR-Initiative, die sich allein auf Führung und Zusammenarbeit konzentrieren, garantieren keine Zielerreichung. Und doch wären viele Reorganisationen nicht nötig, wenn die Menschen in der Organisation ihre Themen besser gemeinsam zum Fliegen brächten. Auch in neu strukturierten, strategiekonformen Organisationen.

Da ist eben noch ein dritter Punkt, der mit Strategie und Struktur zusammenhängt: Kultur. Die Summe der etablierten Verhaltensweisen. Das, womit man gut durchkommt. Das, wofür es Karriere und Bonuszahlungen gibt. Niemals einfach nur Führung und Zusammenarbeit, sondern immer Führung und Zusammenarbeit in den für das Unternehmen wichtigen Themen.

Führung und Zusammenarbeit zu verändern ist unbequem und dauert länger als eine Reorganisation. Es gibt jedoch kaum einen besseren Zeitpunkt, um damit anzufangen. Damit klar ist, dass für den Erfolg der Reorganisation alle verantwortlich sind. Wo sonst sollte der Hase im Pfeffer liegen? (Foto: ©pixelio, Mario Mensinger)

Die Umfrageergebnisse

36% wollen die Organisationsstruktur ändern, je 20% Prozesse und Schnittstellen sowie Kunden- und Marktorientierung. 13% würden das Angebotsportfolio ihres Unternehmens ändern, nur 11% Führung und Zusammenarbeit.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Cambialine Umfrage Störfaktoren im Change

Bildquelle: www.gograph.com