Projektführung ist mehr als der Einsatz von Projektmanagement-Tools. Führen im Projekt ist Handwerkskunst. Die schönste Toolbox ist nichts ohne den Handwerker, der sie einzusetzen versteht. Und welcher Projektmanager wünscht sich das nicht: treffsicher entscheiden, planvoll handeln, zügig vorankommen? Und wer hat nicht schon in Projekten das genaue Gegenteil: operative Hektik, kurzfristige Termine, Arbeit an Dokumenten statt in Zusammenhängen?

Projektmanagement und Erfahrung

Mag sein, dass es teilweise am Projektmanagement hapert. Tatsächlich sind Klagen insbesondere über IT-Projekte, die nicht «in time, budget, and quality» sind, weit verbreitet. Andererseits: Wie man Projekte aufsetzt, strukturiert und führt, ist eines der häufigen Weiterbildungsthemen. Insbesondere in technologiegetriebenen Unternehmen legt man Wert auf professionelles Projektmanagement.

Trotzdem passieren in der Vorbereitungs- oder Konzeptphase eines Projekts Unterlassungssünden. Die Projekt- oder Teilprojektidee wird nicht sorgfältig hinterfragt, der Auftrag nicht sauber geklärt, das Buy-in des Managements nicht sichergestellt. Ziele und Lieferergebnisse werden nicht klar formuliert, Arbeitspakete nicht sauber voneinander abgegrenzt, die Rollen im Projektteam nicht präzise definiert. Alles Arbeitsschritte im Projektmanagement, zu denen es Checklisten gibt, PM-Handbücher, interne und externe Spezialisten. Und doch kann es passieren, dass die Chance zur rechtzeitigen, frühen Gestaltung des Projektverlaufs manchmal verpasst wird. Weil es an Projektführung im Sinne von Führung im Projekt mangelt.

Projektführung und Souveränität

Meine Beobachtung ist: Die genannten Unterlassungssünden passieren zwar. Oft jedoch setzt das echte Leiden im Projekt später ein. Vieles von dem, was nach Projektmanagement-Lehrbuch zum Projektstart gehört, wird gemacht und auch dokumentiert. Es gibt «das Ziele-Chart». Es gibt «die Projekt-Orga». Es gibt die RACI-Matrix zu Rollen im Projekt, die Teilprojekt-Steckbriefe. Es gibt sie, die formalen Eckpunkte eines ordentlich aufgesetzten Projekts.

Was also läuft schief? Persönlich glaube ich: Im Projektmanagement wird extrem spürbar, ob die Projektleitung Führungsinstrumente und -methoden einzusetzen versteht und ihre Zeit gezielt investiert. Beides gehört zum Handwerkszeug wirksamer Führung. Beides wird schnell vernachlässigt, wenn die Themen zu viel und der Druck zu hoch werden.

Passiert das aus Unwissenheit? Ich denke, das ist nicht das Problem. Gerade erfahrene Manager, die geübt darin sind, ein breites Aufgabenspektrum zu bewältigen, lassen sich im Eifer des Gefechts zu Patzern in der Führung verleiten. Anders und doch ähnlich vertrauen auch Nachwuchs-Führungskräfte manchmal zu sehr in die eigenen Fähigkeiten. Vermeintlich kleine Dinge werden etwas zu lässig gehandhabt: Man ist ungeduldig in den konzeptionellen Grundlagen, nicht konsequent im Delegieren, es wird über das vermeintlich Selbstverständliche zu wenig gesprochen, Mitarbeiter erhalten viel Vertrauen, aber wenig verbindliche Anweisungen. Wenn die operative Aufgabenfülle ansteigt, kann das ein Problem werden.

Mut oder Disziplin?

«Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Wenn du es noch eiliger hast, mach einen Umweg.» So bekannt wie dieser japanische Aphorismus ist, so schwierig ist er in der Umsetzung. Stein in der Brandung sind nach meiner Beobachtung Führungskräfte, die auch in hektischen Momenten selbstbewusst einfordern, was ihnen übertragen wurde: die Verantwortung für das Projektmanagement und die Kompetenz zur Einschätzung der Lage.

Führung ist eine Disziplin, die Disziplin erfordert. Vielleicht auch starke Nerven. Denn wenn die Komplexität zu hoch geworden ist und diejenigen, die Treiber des Geschehens sein sollten, vom Geschehen Getriebene sind, ist Mut gefragt. Der Mut, kurz inne zu halten und Weichenstellung zu betreiben: Prioritäten zu überprüfen, Strukturen für die Steuerung zu optimieren, Entscheidungen zu treffen oder von den zuständigen Entscheidern einzufordern. Von Zeit zu Zeit zu hinterfragen, ob man selbst in der Projektleitung noch auf Kurs ist, ist Ausdruck von Souveränität, dient der Sache und hilft bei der persönlichen Zielerreichung.

Toolbox und Führungsstil!

Meine Erfahrung in Projekten ist, dass ein guter Mix aus Formalismus und zwischenmenschlicher Auseinandersetzung zum Erfolg führt. Damit meine ich: Tools und Routinen der Projektsteuerung entfalten dann ihre volle Wirksamkeit, wenn damit individuell gearbeitet wird, wenn sie als Grundlage für Austausch, Lagebewertung, und Feinsteuerung dienen. Wenn Tools und Projektmanagement sich ergänzen mit souveräner Projektführung.

Ein Beispiel sind Reporting-Formulare, die Projektleiter zwecks Fortschrittskontrolle ein oder zwei Mal pro Monat ausfüllen und bei einer Projekt-Kontrollinstanz einreichen müssen. Es ist dabei wie in Zielvereinbarungsprozessen: Werden nicht nur Formulare ausgefüllt und abgelegt, sondern für Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden genutzt, dann ist viel gewonnen, denn es wird reflektiert, voneinander gelernt, unterstützt, und nachgeregelt.

Persönlich sehe ich in dem Punkt keinen Unterschied zwischen Projektmanagement und Führung in der Linie. Im Projekt gibt es meist zwar mehr formalisierte Steuerungsinstrumente. Wie diese Instrumente dann aber zur Führung von Teams und Projekten genutzt werden, ist wiederum nicht formalisierbar, sondern Gegenstand situativer Führung. Und zum Glück ist es ja auch das, was die meisten Projektleiter gerne machen: gemeinsam mit einer Vielfalt von kompetenten Spezialisten und kritisch-konstruktiven Stakeholdern Wege zur Zielerreichung definieren und beschreiten. Und genau das ist es doch auch, was wir alle, die wir auf Projektbasis arbeiten, spannend und reizvoll finden, oder?

Situative Führung

Der Verhaltensforscher Paul Hersey und der Soziologe Ken Blanchard entwickelten um 1980 herum das sogenannten Kontingenzmodell. Der Begriff Kontingenz bezeichnet die prinzipielle Offenheit und Ungewissheit menschlicher Lebenserfahrungen. In der situativen Führung passt die Führungskraft ihren Führungsstil dem Reifegrad der Mitarbeitenden und ihrer Orientierung an Aufgaben bzw. Beziehungen an. Projektführung hat viel mit situativer Führung zu tun.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Modell Situatives Führen

Bildquelle: www.gograph.com