Organisationsstrukturen verändern – das steht in Unternehmen sozusagen regelmässig an. In unserer letzten Umfrage ging es deshalb um Organisationsstrukturen und wie gut sie die Strategieumsetzung unterstützen: «Wie gut unterstützen in Ihrem Unternehmen die Organisationsstrukturen die Strategieumsetzung?» Veränderungen der Organisationsstruktur sind häufig. Wächst ein Unternehmen, werden Einheiten und Positionen hinzugefügt oder verändert. Ist es über Jahre gewachsen, werden Strukturen bereinigt oder vereinfacht. Wächst es nicht mehr, gibt es einen Strategiewechsel und das Unternehmen wird an veränderte Umfeldbedingungen angepasst. Ob eine Führungskraft erfolgreich ist, hängt unter anderem auch davon ab, wie tolerant sie gegenüber Änderungen der Organisations- und Führungsstruktur ist. Reorganisationen gehören in Unternehmen zur Routine.

Strategiekonforme Organisationsstrukturen

Der Löwenanteil der Umfrageteilnehmenden hat geantwortet, dass nach einer Reorganisation die Strukturen strategiekonform sind. Bedeutet: Die Strukturen waren nach der Veränderung der Organisationsstrukturen offenbar besser für eine Leistungserbringung im Sinne der Strategie geeignet. Was im Umkehrschluss auch das Problembewusstsein umfasst, dass historisch gewachsene Strukturen irgendwann nicht mehr passen. Wenn der Leidensdruck deutlich ist, steigert das zwar die Bereitschaft, Grundlegendes zu verändern. Allerdings gilt auch hier die Devise: «hin zu..» statt «weg von…». Natürlich geht es auch um das Beheben aktueller Missstände. Vor allem muss es aber darum gehen, Strukturen für eine langfristige Zielerreichung zu gestalten.

Informelle Drähte

Es wäre naiv und eine vertane Chance, die informellen Strukturen hinter den Kästchen im Organigramm zu ignorieren. Ob Prozesse verlässlich laufen, hängt viel mehr von den handelnden Personen ab als von einer korrekten Prozessbeschreibung im Organisationshandbuch. «Die wichtigsten Strukturen sind die informellen», klickte auf unserer Homepage fast ein Viertel der Umfrageteilnehmenden an. Tatsächlich bestätigt die Projekterfahrung: Erfolgreiche Reorganisationen verbinden strukturelle Überlegungen mit pragmatischer Prozessdefinition und einem gewissen Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Betroffenen.

Auf keinen Fall ist damit gemeint, dass Strukturen um Personen herum gebaut werden sollten. Das rächt sich eher früher als später. Die alte Grundregel bei Reorganisationen lautet, Strukturen nach Rollen zu gestalten, nicht nach Personen. Doch zwischen der reinen Lehre und dem Spiel mit der bestehenden Mannschaft ist die Grauzone breit. Da gibt es die Leistungsträger, die das Top-Management in einer Führungsposition sieht, noch bevor die neuen Rollen wirklich definiert sind. Genau so gibt es viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich selbst in einer Position sehen, bevor die Rollen klar sind, und die versuchen, bei der Rollendefinition irgendwie dabei zu sein, um sich damit selbst zu versorgen.

Ein Teil der Umfrageteilnehmenden hat angeklickt, dass die bestehenden Strukturen um Personen herum entstanden sind. Das ist sicher häufig der Fall. Ist es schlimm? Nein, es ist nicht schlimm, wenn Leistungsträger über Jahre hinweg Karriere machen und manche Strukturen sich mit ihrem Erfolg entwickeln. Ja, es ist schlimm, wenn es an Transparenz in der Rollendefinition fehlt und nicht nachvollziehbar ist, dass die am besten geeignete Person auf eine Stelle gekommen ist.

Gewinner und Verlierer

Change-Kommunikation in Reorganisationen hat viel mit dem richtigen Timing und der richtigen Lautstärke zu tun. Es gibt Phasen, in denen viel und laut kommuniziert werden muss. Es gibt Phasen, in denen keine oder nur sehr diskrete Kommunikation richtig ist. Die ganze Klaviatur ist zu beherrschen: von der offiziellen, internen Unternehmenskommunikation und flächendeckenden Change-Aktivitäten über umsichtiges Stakeholder-Management bis hin zum informellen Vorabgespräch unter vier Augen.

Warum das so ist? Weil es bei jeder Veränderung von Organisationsstrukturen Gewinner und Verlierer gibt. Das wissen auch alle. Darum gibt es ja so viele Rangeleien, Einflüsterungen und politisches Strippenziehen, so viele informelle Personalgespräche, Verabredungen zum Lunch und zum Kaffeetrinken. Es wird pausenlos kommuniziert und offene Punkte, die in der Change-Kommunikation bleiben, werden in der Gerüchteküche geschlossen. Wie also umgehen mit dem Informationsbedarf der Gewinner und Verlierer?

Zwischen Information und Sendepause

Am Anfang braucht‘s, wie immer bei Veränderungen, Klarheit über die Notwendigkeit der Veränderung. Es muss deutlich, auch mehrfach erklärt werden, warum es eine neue Struktur gibt und nach welchen Prämissen diese Struktur gestaltet wird. Dann darf, am besten angekündigt, Sendepause sein. Denn dann wird die Struktur ausgearbeitet und das ist keine Phase der Mitbestimmung: Zusammenhänge und Prozesse müssen darin sinnvoll abgebildet werden. Strategien, Mitarbeitende und andere Ressourcen müssen klug zusammengebracht werden. Genau in dieser Phase versuchen Betroffene von vielen Seiten Einfluss zu nehmen – und das stört, vor allem das Projektteam, das die Reorganisation vorbereitet.

Jetzt ist die Zeit für Prozesskommunikation: Ablauf, Vorgehensweise, Projektstruktur und Zeithorizont werden erläutert ebenso wie die Zeitpunkte, zu denen mit Ergebnissen und der Kommunikation von Ergebnissen gerechnet werden kann.

Genau vor dieser offiziellen Ergebniskommunikation läuft die wirklich relevante Vorabinformation vor allem von Führungskräften. Und zwar nicht nur von solchen, die sich im neuen Organigramm im Kästchen ihrer Wahl wiederfinden. Auch wer sich als Verlierer der Reorganisation empfinden wird, wer seinen Namen nicht im erhofften Chäschtli findet oder sogar vergeblich sucht, muss abgeholt werden. Kaum etwas hat kommunikativ eine solche Reichweite und wird so sehr für Rückschlüsse auf den Führungsstil des Top-Managements genutzt, wie Personalentscheidungen, insbesondere auch Kündigungen oder Trennungen. Idealerweise sind auch solche Fälle gut geregelt, bevor die Neustruktur kommuniziert wird.

Ruhe nach dem Sturm

Reorganisationen können für Mitarbeitende belastend sein, so lange Unsicherheit besteht. Sie können für das Individuum im Ausgang frustrierend, erfreulich oder auch ohne besondere Auswirkung sein. Aber wenn’s passiert ist, wenn die neue Struktur eingeführt ist, dann ist der wesentliche Change vollzogen. Natürlich klappt dann noch längst nicht alles. Prozesse stocken, Berichtslinien ruckeln, Teams sortieren sich, auf der Sachebene muss oft viel nachgebessert werden.

Aber eins ist sicher: Mit dem Wechsel in die neue Struktur wirkt die «normative Kraft des Faktischen». Egal ob die Betroffenen erfreut sind oder nicht, es wird in den neuen Strukturen gearbeitet. Vorbei mit Change-Management. Jetzt kommt es auf Führung an. Die neue Chefin/der neue Chef ist Ansprechpartner, neue Regeltermine stehen im Kalender, alle müssen sich in ihren neuen oder alten Rollen und Aufgabenfeldern beweisen. Es dauert gar nicht so lange, bis sich die allermeisten an die neue Organisation gewöhnt haben. Das bedeutet nicht, dass alle vergessen haben, wie es vorher war. Wer wirklich die Uhr zurückstellen will und etwas Geduld hat, darf sich auf noch etwas verlassen, was sicher ist: Nach der Reorganisation ist vor der Reorganisation. Dazwischen liegen oft nur drei bis fünf Jahre.

Die Umfrageergebnisse

43% finden, dass ihre Organisation nach einer Reorganisation strategiekonform ist. 23% halten die informellen Strukturen für die wirklich relevanten. 17% denken, dass die Strukturen um Personen herum entstanden sind. Nur 5% finden ihre historisch gewachsene Organisation richtig. 12% denken, dass die Strukturen die Strategieumsetzung behindern.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Cambialine Umfrage Reorganisieren

Bildquelle: www.gograph.com