Vom 9. bis zum 11. Januar 2019 fand in Zürich die ophthalmologische Tagung OTO statt. Der Kongress wird von den Pallas Kliniken durchgeführt, dem in der Deutschschweiz führenden Anbieter in der Augenheilkunde. Auf Einladung eines Chefarztes der Pallas Kliniken durfte ich auf dem Kongress einen Vortrag über Kommunikation halten und zwar ganz spezifisch über die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Es ging darum, wie wertschätzende, qualitativ gute und gleichzeitig effiziente Patientenkommunikation funktionieren kann.

Kostendruck und Zeitmangel

Das Schweizer Gesundheitswesen ist im Umbruch. Der Kostendruck nimmt zu. Die Vergütung medizinischer Leistungen wird stärker reguliert und fällt niedriger aus als in der Vergangenheit.

Stationäre Behandlungen werden seit Anfang 2012 nach Fallpauschalen abgerechnet. Damit bestimmt die Diagnose und nicht der tatsächliche Aufwand die Höhe der Leistungsvergütung. Wird ein Patient operiert, kommt es darauf an, welche Krankheit behandelt wird, nicht wie viele Tage er tatsächlich im Spital bleibt.

Die Effekte dieser Art der Leistungsverrechnung kann man am deutschen Gesundheitswesen beobachten, in dem seit 2003 die Fallpauschalen-Systematik gilt. Die Herausforderung besteht darin, medizinische Leistungen auf wirtschaftliche Weise zu erbringen – effizient, kostengünstig, zügig. Der Aufwand wird optimiert, damit die Erträge noch stimmen. Trotzdem schreiben viele Krankenhäuser in Deutschland und Spitäler in der Schweiz rote Zahlen.

Ambulante Behandlungen werden in der Schweiz nach TARMED abgerechnet, einem schweizweit einheitlichen Tarif, der die Abrechnung von Leistungen gegenüber Krankenversicherung (KVG), Unfallversicherung (UVG), Invalidenversicherung (IVG) und Militärversicherung (MVG) regelt. Auch dieses Abrechnungsmodell hat die Ertragsmöglichkeiten der Leistungserbringer eingeschränkt.

Insgesamt sind ambulante Leistungen durch die ab 1.1.2018 geltende TARMED-Revision weniger wert als vorher. Das System ist umstritten. Leistungserbringer, Versicherungen und Politik finden keine Einigung über eine Leistungsvergütung, die dem Kostendruck im Gesundheitswesen gerecht wird und gleichzeitig den Leistungserbringern ein wirtschaftliches Arbeiten ermöglicht.

Ziele der Patientenkommunikation

In diesem Umfeld ist Kommunikation kein Luxus. Man könnte meinen, dass in der Arztpraxis keine Zeit mehr für Kommunikation ist. Das ist richtig, sofern mit Kommunikation Gespräche auf der Beziehungsebene gemeint ist. Gleichzeitig kommt es mehr denn je darauf an, durch eine professionelle Gesprächsführung als Arzt oder Ärztin effizient zum Ziel zu kommen. Wertschätzende und gleichzeitig zielführende Kommunikation ist wichtig.

Ziele der Patientenkommunikation aus ärztlicher Sicht sind:

  • Informationen und Daten gewinnen, die Symptome des Patienten verstehen, den Verlauf von Krankheit und Therapie überwachen
  • Patienten informieren, ihnen die Diagnose vermitteln und die Therapie erklären
  • Beziehung herstellen, das Vertrauen des Patienten/der Patientin gewinnen und so Akzeptanz für die Empfehlungen des Arztes/der Ärztin herstellen

Erreicht ein Arzt diese Ziele im Gespräch mit Patienten nicht, kann er nicht erfolgreich behandeln. Hinzu kommt, dass in Zeiten von Social Media und Bewertungen auf Google das Image und die Reputation auch von Ärzten abhängig davon ist, ob Patienten sie «liken» oder «disliken».

Tipps und Standards für Ärzte/Ärztinnen

In meinem Vortrag habe ich einige wenige praktische Tipps aufgezeigt, wie Patientenkommunikation sowohl wertschätzend als auch effizient funktionieren kann. Mit nur sechs Standards für die Gesprächsführung sind die allermeisten Situationen und Phasen der Konsultation professionell zu steuern und zu bewältigen:

Tipp Nr. 1: Strukturieren Sie das Gespräch, um dem Patienten Orientierung zu geben.

Sagen Sie, wieviel Zeit für den Termin vorgesehen ist und in welchen Schritten der Termin verläuft (z.B. Untersuchung, Diagnose, Vereinbarungen zur Behandlung).

Tipp Nr. 2: Gehen Sie in der Gesprächsführung vom Patienten aus.

Hören Sie zu. Wiederholen Sie Aussagen, um eine Präzisierung oder Bestätigung durch den Patienten zu erhalten. Spiegeln Sie z.B. Emotionen, die Sie beobachten, um Empathie zu zeigen und den Patienten zu öffnen für ihr Behandlungskonzept.

Tipp Nr. 3: Gehen Sie produktiv mit Emotionen um.

Ich empfehle das im Gesundheitswesen anerkannte NURSE-Modell: Naming für das Benennen der Emotion, die Sie beobachten; Understanding dafür, dass Sie Ihr Verständnis für die Emotion des Patienten zum Ausdruck bringen, Respecting für Ihren Respekt, den Sie für den Umgang des Patienten z.B. mit einer schwierigen Diagnose bekunden; Support für Ihre Unterstützungsangebote, Exploring für ein möglicherweise notwendiges Erkunden der Befindlichkeit des Patienten. NURSE ist entscheidend für Ärzte, denn wo es um Krankheit geht, gibt es z.B. traurige Momente, Schockiertheit und Resignation.

Tipp Nr. 4: Vermitteln Sie Informationen strukturiert und verständlich.

Auch hier gilt: Geben Sie dem Gespräch Struktur. Benennen Sie vorweg, welche Informationen in welcher Abfolge Sie geben werden, damit der Patient sich darauf einstellen kann und versteht, dass er nicht mehr und nicht weniger als diese Informationen verstehen muss. Meist sind es fünf Punkte, die Sie ausführen werden: welche Behandlung Sie empfehlen, warum Sie diese Behandlung empfehlen, wie die Behandlung konkret funktioniert, welche Risiken es gibt und was die nächsten Schritte sind.

Tipp Nr. 5: Vermitteln Sie schlechte Nachrichten sachlich und emotional angemessen.

Ich empfehle das BAD-Modell: Breaking news nach dem Prinzip KISS (keep it short and simple) benennen, Acknowledge patient’s reaction, dabei sowohl auf die emotionale Reaktion eingehen (nach dem NURSE-Modell, s.o.) als auch auf den Wunsch nach zusätzlicher Information (strukturierte Informationsvermittlung, s.o.).

Tipp Nr. 6: Einigen Sie sich mit dem Patienten auf ein gemeinsames Behandlungskonzept.

Ich empfehle das ebenfalls im Gesundheitswesen anerkannte Common-Sense-Modell nach Howard Leventhal (CSM): Wenn Sie feststellen, dass der Patient ein abweichendes Bild von seiner Erkrankung und den Behandlungsmöglichkeiten im Kopf hat, sollten Sie das explizit machen. Zeigen Sie auf, wo die Abweichungen sind. Sagen Sie, dass Sie eine abweichende Meinung haben. Erklären Sie dem Patienten, sofern er sich für Ihre ärztliche Sicht zugänglich zeigt, wie Sie seinen Fall sehen und was Sie als Behandlung empfehlen.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

OTO-Vortrag Linda Pütter

Bildquelle: www.gograph.com