Unter einer Kommunikationskaskade versteht man Weitergabe von Informationen top-down von der Führung in die Gesamtorganisation. «Wir haben im Führungsteam alles besprochen. Bei den Mitarbeitenden angekommen ist aber nichts.» Das ist seit vielen Jahren eine Klage, die ich in Unternehmen von Top-Führungskräften höre und zwar sowohl aus der Geschäftsleitung wie von Divisions- oder Geschäftsbereichsleitern. Die Kommunikationskaskade funktioniert nicht. Der Informationsfluss stockt.

Konkret ist es meistens so, dass in den Führungsgremien Themen diskutiert und Entscheidungen getroffen werden. Für die Mitglieder der Führungsgremien ist damit eigentlich alles klar. Aber was davon für die Mitarbeitenden relevant ist und welcher Teil der diskutierten Inhalte zu welchem Zeitpunkt von wem in die Organisation getragen werden soll, wurde nicht explizit festgelegt. Die Kommunikationskaskade funktioniert dann nicht.

Unzuverlässige Führungskräfte

Es bleibt den einzelnen Mitgliedern des Führungsgremiums überlassen, was sie in ihren Teams berichten. Damit ist klar: Was in der Organisation von den übergreifenden Themen ankommt, ist eine Frage des individuellen Kommunikationstalents, des Führungsstils und des Anspruchs, das eigene Team zu informieren und im Sinne des Gesamtunternehmens auszurichten.

Meine Beobachtung ist: Es sind nur wenige Führungskräfte, die in ihren Teams regelmässig weitergeben, was in den bereichsübergreifenden Gremien diskutiert und entschieden wurde. Die meisten behandeln in ihren Teammeetings nicht mehr und nicht weniger als das Tagesgeschäft im eigenen Bereich. Und ob das reibungslos läuft, hängt nicht davon ab, ob die Mitarbeitenden verstehen, was im Gesamtunternehmen passiert und wie ihr alltägliches Tun darauf einzahlt.

Silodenken statt Kommunikationskaskade

Wo die Informationskaskade über die Linie nicht funktioniert, gedeiht das Silodenken, was ja zunächst mal nichts anderes ist als die Konzentration auf das eigene Biotop. Silodenken herrscht vor, wenn die operativen Themen der eigenen Abteilung den Diskurs im Team bestimmen und nur selten eine bereichsübergreifende Perspektive eingenommen wird.

Das hängt wesentlich vom Chef oder der Chefin des Bereichs ab. Oder anders: Es kommt auf das Selbstverständnis der Mitglieder der Geschäftsleitung oder der Geschäftsbereichsführung an. Empfinden sie sich als Mitglieder eines übergreifenden Führungsteams, die sich gemeinsam für den Erfolg einer grösseren Einheit oder des Gesamtunternehmens einsetzen? Oder definieren sie sich primär über ihren operativen Verantwortungsbereich?

Dabei ist die Konzentration auf den eigenen Bereich zunächst mal nichts Schlechtes ist, denn natürlich müssen alle ihre Hausaufgaben erledigen. Wer leistungsstark und lieferfähig seinen eigenen Verantwortungsbereich im Griff hat, dem hört man auch in übergreifenden Themen zu. Sofern keine Abschottung innerhalb von Grenzen des Silos stattfindet.

Motivation durch Ausrichtung

Integre Führungskräfte mit Leadership-Qualitäten pflegen den Blick zur Seite. Sie haben den eigenen Laden im Griff, vermitteln ihren Mitarbeitenden Sinnstiftung und Orientierung im Gesamtkontext und pflegen im Austausch mit ihren Peers die Schnittstellen zwischen den Bereichen.

Auf diese Weise motivieren sie Mitarbeitende. Sicher kennen Sie die Geschichte von den drei Männern, die Steine bearbeiten und auf die Frage, was sie da tun, drei unterschiedliche Erklärungen zum selben Vorgang geben: «einen Stein glätten», «eine Mauer errichten», «eine Kathedrale bauen». Mitarbeitende, die die Vision und Strategie des Unternehmens verstehen, setzen ihr Tun in Bezug zum grossen Ganzen. Sie sind loyaler zum Unternehmen, können eigenständiger handeln und als Team und Einzelpersonen besser zum Gesamterfolg beitragen.

Es ist klar: Das Gefühl der Zugehörigkeit zum Unternehmen entsteht wesentlich durch Informiertheit und Kommunikation. Durch Zuhören und Gehört-werden. Durch Verstehen und Verstanden-werden.

Erkenntnis und Umsetzung

Strategische Kommunikation und eine funktionierende Kommunikationskaskade entlang der Linie ist kein Selbstläufer, ist aber auch kein Hexenwerk. Ganz sicher reicht es nicht, wenn sich CEOs darauf verlassen, dass die Mitglieder der GL in ihren Führungsteams schon erzählen werden, was es Neues gibt und dass dann im nächsten Schritt die Mitglieder der Führungsteams diese Informationen verlässlich weitertragen in ihre jeweiligen Teams.

Es ist auch nicht sinnvoll, Auszüge aus Sitzungsprotokollen weiterzuleiten. Weil das in der Regel auslöst, dass sie nochmals weitergeleitet werden. Und damit ist noch nichts erklärt, durchdrungen und verstanden.

Die Lösung liegt immer im Wechselspiel von allgemeiner interner Unternehmenskommunikation und dem gezielten Auslösen einer Informationskaskade entlang der Linie und um das richtige Timing von beidem.

Themen, die das Gesamtunternehmen betreffen, brauchen regelmässige Sichtbarkeit im Gesamtunternehmen. Alle müssen wissen, welche Prioritäten und Ziele die Unternehmung verfolgt, an welchen strategischen Themen gearbeitet wird und welche Ergebnisse zeigen, dass es in der Strategieumsetzung vorwärtsgeht. Diese Themen brauchen auch den richtigen Absender, am besten top-down vom CEO oder dem jeweiligen Themen-Owner im Top-Management an alle.

Anders ist es mit Themen, die in den Geschäftsbereichen operationalisiert werden müssen, z.B. wenn eine unternehmensweite Zielsetzung in allen Teams konkretisiert und umgesetzt werden muss. Dann braucht es eine Anleitung, wie das Thema auf einheitliche Weise in die Organisation kaskadiert werden soll. Denn hier geht es ja um einen flächendeckenden Effekt und nicht um zufällige und mal vollständige, mal unvollständige Informationsweitergabe.

Praktische Tipps

Es muss für Führungskräfte so einfach sein wie eine Ikea-Gebrauchsanleitung. Sie müssen wissen, bis wann sie was in ihren Teams tun sollen. Und zwar sowohl dann, wenn sie Infos «nur» vermitteln, aber auch wenn sie etwas interaktiv erarbeiten oder wenn sie Rückmeldungen aus ihren Teams abholen sollen.

Hilfreich dafür sind z.B.

  • von zentraler Stelle formulierte Sprachregelungen, damit komplexe oder heikle Sachverhalte in allen Teams auf einheitliche Weise erklärt werden können,
  • Moderationsleitfäden für dezentrale Kompaktworkshops, damit unternehmensweite Themen methodisch verlässlich in den einzelnen Teams operationalisiert werden können,
  • Leitfragen zum Generieren von Mitarbeiter-Feedback, wenn aus der gesamten Unternehmung konsolidierbare Rückmeldungen oder Ergebnisse gewonnen werden sollen.

Solche Wegleitungen, Templates und Arbeitsunterlagen müssen zweckdienlich, stufengerecht und didaktisch aufbereitet sein. Und auch die Weiterverarbeitung von Ergebnissen, die aus solchen Kommunikationsprozessen entstehen, will gesteuert sein.

Sie ahnen, worauf ich hinaus will. Und Sie werden zugestehen, dass es so ist: Sowas funktioniert nur, wenn jemand da ist, der sich darum kümmert und weiss, was wie’s geht. Und wenn Sie so etwas haben wollen, wissen Sie ja, an wen Sie sich wenden können. 😉

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