Change-Management in KMU ist ein spannendes Thema. Wie gehen kleinere und mittelgrosse Unternehmen Veränderungen an? Wie systematisch ist das Change-Management in KMU? Wie funktionieren Strategieentwicklung und Strategieumsetzung?

Eins ist klar: Change-Management in KMU ist pragmatisch, kompakt, ergebnisorientiert und oft sehr kraftvoll. Was damit zusammenhängt, dass Führung in KMU relativ direkt funktioniert. Wenn der Wille zur Veränderung da ist, wird entschieden. Wenn etwas entschieden ist, wird’s gemacht. Und wenn’s gemacht wird, dann will man auch Resultate sehen.

Gelebtes Unternehmertum

Vor einigen Tagen habe ich mich mit dem CEO eines mittelständischen Unternehmens zum Essen getroffen. Ich bin beschwingt nach Hause gefahren. So viel Energie, Risikobereitschaft und Entscheidungsfreude.

Während vieles in der Schweiz im Corona-Lockdown zum Stillstand kam, hat dieser Unternehmer tatkräftig gewirbelt. Im Februar hatten ihn Stimmen aus dem Gesundheitswesen erreicht. Es sei mit einem Engpass an Masken zu rechnen. Ob er nicht welche produzieren könne? Sein Kerngeschäft sei doch nicht so weit entfernt davon.

«Mer mache das», fand er. Vorher hatte er kurz durchgerechnet, ab wann die Produktion rentabel wäre. Er hatte recherchiert, dass Maschinen für die Maskenproduktion in China bestellbar waren. Ein paar Tage später wurde eine bestellt, auf mühsamen Wegen geliefert und nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten zum Laufen gebracht. Die ersten Masken made in Switzerland liefen im April vom Band und die Nachfrage war sofort enorm.

Weitere Maschinen folgten, eine zusätzliche Produktionshalle gemietet, einige Dutzend Mitarbeitende neu eingestellt. Der mutige Unternehmer weiss, dass er das aus dem Boden gestampfte neue Business noch mit passenden Strukturen ausstatten muss. Eins nach dem anderen. Auch das wird er machen und schaffen.

Flexibilität und Kundennähe

Vor einigen Tagen war ich in einer Videokonferenz mit dem CEO eines Anbieters von Ingenieurleistungen u.a. rund um die Themen Energieeffizienz, Gebäudetechnik. Sein Auftreten war sympathisch, bescheiden, kompetent und aufgeschlossen. Eher beiläufig erwähnte er, was bei mir einen Wow-Effekt auslöste: «Unsere Vision ist es, die Schweiz mit wegweisenden Energiekonzepten versorgen».

Das nenne ich Aspiration. Auf diese Weise hat das Unternehmen eine respektable Grösse erreicht, mit verschiedenen Standorten und namhaften Kunden.

Findet hier systematische Strategieentwicklung statt? Eher nicht. Dafür findet solide Leistungserbringung statt. Unaufgeregt und verlässlich. Ausserdem ist das Management-Team ziemlich operativ unterwegs. Sie sind dicht am Markt und kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden gut.

Während grössere Unternehmen teilweise in aufwändigen Change-Projekten mehr Kundenorientierung anstreben, ist dieses wertvolle Gut in KMU oft auf natürliche Weise vorhanden. «Wir hören unseren Kunden zu und erstellen auf der Basis unsere Offerten», sagte der Chef der Ingenieursfirma. Im Grunde ganz einfach.

Risiken durch Wachstum, Führung und Strukturen

So viel Mut und Umsetzungskraft ist einerseits beeindruckend. Genau hier liegt aber auch das Problem vieler KMU.

Quirlige Tatkraft, schnelle Entscheidungen, hohe Kundenorientierung, Kreativität und Anpassungsfähigkeit sind einerseits gute Grundlagen für Erfolg und Wachstum. Andererseits entstehen so Organisationen, in denen es an den passenden Strukturen fehlt und Führung von den Persönlichkeiten an der Spitze abhängt.

Einerseits können Ideen schnell umgesetzt werden, andererseits lauert die Gefahr der Verzettelung. Einerseits ist Kundennähe eine Stärke, andererseits darf ein Unternehmen nicht getrieben von Kundenwünschen sein, sondern muss aufzeigen, worauf es ankommt und wo die Reise hingeht.

Grössere Unternehmen treiben oft viel Aufwand, um mehr Agilität in reife und saturierte Organisationen zu bringen. KMU sind oft so agil und flexibel, dass sie mehr Mühe damit haben, die eigene Energie auszurichten als mehr davon zu generieren.

Change-Management in KMU

Wann und wie findet Change-Management in KMU statt? Meine Beobachtung ist: Veränderungsmanagement wird oft als Teil von Führung verstanden. Führungskräfte gehen davon aus, dass sie das meiste selbst machen sollten und auch können. Was weit führen kann, aber limitiert bleibt.

Denn es gibt grundsätzliche Unterschiede zwischen Leistungsmanagement (= Management der Leistungserbringung im Tagesgeschäft) und Veränderungsmanagement (= längerfristige Ausrichtung und Weiterentwicklung der Organisation).

Im Leistungsmanagement kommt es auf Ziele an, im Veränderungsmanagement auf die Vision. Im Leistungsmanagement wird über Anerkennung und Belohnung motiviert, im Veränderungsmanagement über Erwartungen, Beteiligung und Initiative.

Aber wenn die Grenzen der eigenen Möglichkeiten gesehen werden, kann Change-Management in KMU kraftvoll, kompakt und sehr erfolgreich sein. Weil KMU gut darin sind, sich inspirieren lassen. Weil sie umsetzungsorientiert sind. Nicht lange herumdoktern, sondern lieber ausprobieren. Weil Mitarbeitende – wenn die Kultur stimmt – wissen, dass sie sich einbringen können.

Auf die Chefs kommt es an

Change-Management funktioniert nur, wenn in der Führung der feste Wille zur Veränderung da ist. Das gilt für KMU genauso wie für grössere Unternehmen.

Gerade in inhabergeführten Unternehmen ist das eine Chance und eine Falle zugleich. Wenn der Mensch, dem das Unternehmen gehört, zugleich operativ die Weichen stellt, kann es im schlimmsten Fall passieren, dass er die Entwicklung der Organisation behindert.

Mitarbeitende kennen das. Auch ich als Beraterin habe das schon mehrfach gesehen: Der Mensch an der Spitze bekommt, was er will, aber nicht, was die Organisation braucht.

Gerade in KMU ist die Wirkung von Führung sehr direkt. Wenn an der Spitze des Unternehmens Menschen mit visionärer Kraft stehen, die sich in den Dienst der Organisation stellen und die Potenziale ihrer Mitarbeitenden ernsthaft nutzen wollen, dann entstehen positive Energie und Veränderungsdynamik.

In KMU, wo Mitarbeitende sich untereinander kennen und Zugehörigkeit zum Unternehmen empfinden, wird auch direkt spürbar, wenn Veränderungsziele erreicht werden. Das ist der Hebel, der motiviert. Denn schlussendlich verbindet nichts so stark wie der gemeinsame Erfolg.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Bildquelle: www.gograph.com