In diesen Tagen geht für eine meiner Weiterbildungsstudentinnen und auch für mich das Abenteuer Masterarbeit zu Ende. Sie war im Frühjahr 2023 Teilnehmerin in meinem CAS Business Transformation und hat mich im Herbst 2024 gefragt, ob ich ihre Masterarbeit betreuen würde.

Das mache ich nur sehr selten, denn es ist eine kleinteilige Aufgabe über viele Wochen, die zeitlich nicht so gut zu meiner Beratungstätigkeit in Projekten passt. Vor allem halte ich die Betreuung einer Masterarbeit in der Weiterbildung für verantwortungsvoll, denn es geht um den Abschluss einer mehrjährigen Anstrengung und natürlich hat der Studierende die Erwartung, dass alles ein gutes Ende nimmt. Die Mühe und auch das finanzielle Investment sollen sich gelohnt haben.

Die Leistung, ein selbst definiertes Projekt durchzuziehen

Persönlich denke ich, dass die Betreuung einer Masterarbeit dem Studierenden helfen soll, Kurs zu setzen, Fahrt aufzunehmen, den Kurs zu halten und mit dem eigenen Anspruch an Qualität bis zum Abschluss der Arbeit durchzuhalten. Anders gesagt: Die Leistung besteht darin, eine eigene Fragestellung zu einem mehrschichtigen Thema zu definieren, dazu einen eigenen Gedankengang zu entwickeln und stringent unter Nutzung weiterführender Primär- und Sekundärliteratur zu einem Ergebnis zu führen, das nicht nur theoretisch interessant, sondern auch praktisch verwertbar ist.

In der Weiterbildung nimmt wissenschaftliches Arbeiten keine besonders grosse Rolle ein. Viele CAS-Module schliessen mit eher praktischen Leistungsnachweisen ab: Pitch-Präsentationen oder Gruppenarbeiten, die mehr mit der Arbeitsweise in Unternehmen als mit der an Universitäten zu tun haben. Entsprechend haben Weiterbildungsstudierende wenig Routine in der wissenschaftlichen Bearbeitung eines Themas.

Die Zähigkeit und der eigene Anspruch, das selbst definierte Projekt durchzuziehen, sind für mich das eigentliche Ergebnis einer Masterarbeit. Dazu gehört, gordische Knoten im Kopf intellektuell zu durchschlagen, bis in jede Quellenangabe und ins Literaturverzeichnis hinein korrekt und detailgenau zu sein und Durchhaltevermögen und Disziplin zu beweisen. Das alles ist gerade neben einem Fulltime-Job herausfordernd und wer das schafft, hat sich selbst ein grossartiges Erfolgserlebnis verschafft. Wer das schafft, schafft auch noch ganz andere Dinge – beruflich wie privat.

Das schwierige Thema Unternehmenskultur

Das Abenteuer Masterarbeit fing damit an, dass die Studierende mir ihr Thema vorstellte: Die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur in einer Regionalbank.

Das Thema Unternehmenskultur kann sehr mühsam sein. Viele Firmen verstehen darunter einen Werteprozess: Es wird mehr oder weniger partizipativ entwickelt, wie der Umgang miteinander und das Engagement für’s Unternehmen sein sollen. Dann werden die definierten Werte kommuniziert und die Bürde der Umsetzung wird auf die Schultern der Mitarbeitenden verlagert.

Mein Arbeitsansatz ist ein anderer, weil von der Systemtheorie geprägt. Ich verstehe Organisationen als sachorientierte soziale Systeme, die lernen. Die Menschen in der Organisation beobachten, wie das System funktioniert – was man sich erlauben darf, womit man weiterkommt, was nicht akzeptiert wird –, ziehen ihre Schlüsse und handeln entsprechend.

Eine lernende Organisation ist nicht eine Organisation voll mit Lernenden, die z.B. definierte Werte auswendig lernen, um sie dann im Arbeitsalltag umzusetzen. Eine lernende Organisation ist ein smartes System, das Fähigkeiten ausprägt, die widerspiegeln, was Individuen für sich als weiterführend und sinnvoll empfinden, wenn sie sich energieeffizient im System bewegen wollen. Anders gesagt: Es sind meist nicht die Mitarbeitenden, die edle Werte nicht verstehen, teilen oder boykottieren. Das Mitarbeiterverhalten zeigt vielmehr Widersprüche in der Führung und Strategieumsetzung in der Organisation.

Traditionelle, reedukative Werteprozesse sind aus meiner Sicht nur deshalb interessant, weil sie einen Zugang zu den Prozessen und zur Führung innerhalb der Organisation eröffnen. Dort sind die Schrauben, an denen man drehen muss, um den Motor zum Laufen zu bringen. Das ist für alle, insbesondere für das Management, ein anstrengender Vorgang, allerdings nicht unbedingt anstrengender als ein Werteprozess, der wirkungslos bleibt und enttäuschend für alle sein kann.

Für meine Weiterbildungsstudierende hat mein Ansatz bedeutet: Sie musste vollständig umdenken, kritische Distanz zu dem ihr vertrauten reedukativen Ansatz entwickeln und den für sie neuen, theoretisch und intellektuell anspruchsvollen systemtheoretischen Ansatz erschliessen.

Das gemeinsame Abenteuer Masterarbeit

Wir haben im Verlauf der letzten sechs Monate mehrere Teams-Calls gehabt, in denen sie mir ihren Stand des Denkens und ihre Fragen präsentierte, so dass ich meine Impulse dazugeben konnte.

Ich denke, sie hat nach diesen Videokonferenzen manchmal gestöhnt, denn leicht habe ich es ihr nicht gemacht. Aber hey, auch wenn eine Weiterbildung viel Geld kostet, die Abschlussnote kann man sich (zumindest bei mir) nicht kaufen.

Von der ersten Skizze bis zur eingereichten Masterarbeit hat sich das Thema fundamental gewandelt. Am Anfang hatte die Studierende das alte, individualpsychologische Eisbergmodell im Kopf, das auf Sigmund Freud zurückgeht und Verhalten durch subjektive Beweggründe, unbewusste Ängste und Instinkte erklärt.

Am Ende handelte ihre Masterarbeit von Niklas Luhmann und von kollektivem Sense-making, von entscheidbaren und nicht entscheidbaren Entscheidungsprämissen in Organisationen, von Beobachtung erster und zweiter Ordnung und Ansätzen für die systemische Führung in Organisation.

Ende gut, alles gut

In der ersten Märzwoche fand die sogenannte Verteidigung der Masterarbeit als Prüfung an der ZHAW statt. Heute habe ich den Bewertungsbogen zur Masterarbeit bei der ZHAW eingereicht. Das Abenteuer Masterarbeit ist für diese Studierende erfolgreich beendet.

Die Benotung wird den Studierenden, die im Winterhalbjahr ihren MAS abgeschlossen haben, in Kürze von der ZHAW mitgeteilt. Dem will ich nicht vorgreifen. «Aber gliich», wie man in der Schweiz so schön sagt…

Ich gratuliere ANDREA OLUIC zur hervorragenden Leistung, die sie in ihrer Masterarbeit gezeigt hat!

Meine Wertschätzung gilt Roland Inderwildi, Mitglied der Geschäftsleitung in der Raiffeisenbank Lägern Baregg, der als Vorgesetzter Andrea in ihrem Engagement und ihrer Entwicklung unterstützt hat.

Auf dem Foto oben v.l.n.r.: Linda Pütter, Andrea Oluic, Roland Inderwildi.

Meinen Respekt möchte ich Iwan Suter aussprechen, der als Vorsitzender der Raiffeisenbank Lägern Baregg den Willen hat, die Organisation weiterzuentwickeln und dafür die Selbstreflexion in der Geschäftsleitung und Partizipation von Führungskräften und Mitarbeitenden fördert.

Andrea Oluic wünsche ich weiterhin viel Freude und weitere schöne Abenteuer in der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.