Unwort, Beratungsdisziplin oder Führungsaufgabe? Was ist Change-Management? Was sind die Erwartungen an Change-Management? Die Frage bleibt für mich aktuell, denn meine Projekten sind meist Change-Projekte. Es wird reorganisiert, digitalisiert, umstrukturiert. Der Vertrieb wird intensiviert, das Unternehmen neu positioniert, eine neue Strategie umgesetzt. Der Ruf nach «gemanagtem Change» wird laut.
«Was bedeutet Change-Management für Sie?», lautete die Umfrage auf unserer Website im Monat Juni. Es gab kein richtig oder falsch. Und immerhin haben so viele Menschen ein Votum abgegeben, dass man mit ihnen einen stattlichen Reisebus füllen könnte. Die Verteilung der Antworten vermittelt einen Eindruck, was Führungskräfte und Mitarbeitende von Change-Management erwarten.
Was Manager wollen, aber oft nicht zu sagen wagen
Die Management-Perspektive ist vor allem durch Ergebnisorientierung geprägt. Führungskräfte, insbesondere im Top-Management, wollen Veränderungen der Organisation aktiv vorantreiben. Sie kennen das Zielbild und haben ein Konzept zur Umsetzung freigegeben. Sie haben entschieden. Inhaltlich sind mit dem Thema, das gerade in die Organisation getragen werden soll, längst durch. Mit dem Kopf sind sie schon beim nächsten Thema. Am liebsten wäre ihnen, die Mitarbeitenden würden jetzt einfach möglichst schnell von IST auf SOLL umstellen. Dann wäre der Management-Entscheid bereits Unternehmensrealität.
«Strategieumsetzung beschleunigen», «den Wandel aktiv gestalten», das antworten Führungskräften auf die Frage nach der Bedeutung von Change-Management. Diejenigen, die beschleunigen wollen, glauben etwas stärker daran, selbst Gas geben zu können als diejenigen, die das sanfte Wort vom Wandel mit dem eigenen Gestaltungsanspruch verbinden.
Was Mitarbeitende manchmal wollen, aber nicht wollen sollten
Von Mitarbeitenden und häufig auch aus HR-Abteilungen kommt der Ruf nach Beteiligung und Mitarbeiter-Feedback. Zurecht. Partizipation sorgt für Power im Veränderungsprozess. Feedback gibt Anhaltspunkte für die Feinsteuerung. Allerdings kommt es sehr darauf an, was man unter Partizipation und Feedback versteht und zu welchem Zeitpunkt man entsprechende Formate einsetzt.
Viele Veränderungsprozesse, z.B. Reorganisationen oder Firmenzusammenschlüsse, werden top-down ausgelöst. Ziel, Grundidee, Methode und Vorgehensweise sind gesetzt. Erst wieder die Ausgestaltung lässt Spielräume, die von den betroffenen Mitarbeitenden ausgelotet und genutzt werden können.
Beteiligung hat immer auch Grenzen, die transparent gemacht werden müssen. Zur Diskussion gestellt werden darf nur, was beeinflusst werden soll. Nicht das, was nicht zur Diskussion steht. Selbst wenn Mitarbeitende sich etwas anderes wünschen. Läuft die Transformation unwiderruflich, ist die Gelegenheit zur Weichenstellung vorbei. Und vielleicht war sie zu keinem Zeitpunkt Sache der Mitarbeitenden.
Beteiligung ist nicht mit Feedback zu verwechseln. Natürlich geben Rückmeldungen aus der Organisation gute Anhaltspunkte für die Steuerung von Veränderungsprozessen. Ob und inwieweit aber danach gesteuert wird, bleibt die Entscheidung des Managements. Bedeutet: Ist in einer Transformation die «Verhandlungsmasse» gering, kann ein Feedback-Instrument geradezu kontraproduktiv sein. Es ist irreführend, Meinungen einzuholen, wenn sie ohne spürbaren Einfluss auf das Geschehen bleiben werden. Bitte also keine Schein-Partizipation! Bitte keine Illusionen über Mitgestaltung, wenn das gerade gar nicht angesagt ist!
Warum Kultur alles und nichts ist
Der gemeinsame Nenner im Change ist für alle Beteiligten, ebenso zutreffend wie wenig greifbar, die Unternehmenskultur. Die wollen im Change-Management meist alle beeinflussen, Führungskräfte wie Mitarbeitende, HR-Spezialisten ebenso wie Strategieabteilungen.
Kulturprojekte haben leider das Potenzial, ohne spürbare Auswirkung im Unternehmensalltag zu bleiben. Und zwar genau dann, wenn es um abstrakte Begriffe und Werte geht, nicht aber um deren konkrete Umsetzung. «Wir wollen offen und ehrlich kommunizieren.» «Wir sind transparent in unserem Handeln.» «In Führung und Zusammenarbeit sagen wir, was wir tun und tun, was wir sagen.» Haben Sie auch schon solche und ähnliche Statements in Unternehmen auf internen Plakaten gelesen?
Solche Eckpunkte von Unternehmenskultur werden oft unter Einbindung von Mitarbeitern erarbeitet. Methodisch ist das toll. Hochgradig partizipativ! Die Stimmung ist gut, die Energie positiv. Es geht ja auch um etwas sehr Positives. Es kommt dann darauf an, wie die abstrakten Begriffe konkret umgesetzt werden.
Alles, was Unternehmenskultur ausmacht – wie man zusammenarbeitet, wie geführt wird, wie man miteinander, wie man mit Kunden, mit Geschäftspartnern umgeht – kann Gegenstand von Veränderungsprozessen sein. Kultur kann man nicht direkt beeinflussen. Aber man kann Diskurse zu den Themen auslöst, die eine Auswirkung auf die Kultur haben.
Wie Change-Management die Kultur verändert
Beobachtet und kritisiert werden vor allem die Symptome von Kultur. Weil es am Ende des Tages nicht darum geht, dass Werte formuliert, sondern dass sie gelebt werden. Kultur ist: Wie Personalentscheide getroffen werden. Ob und wie Mitarbeitende entlassen werden. Wer befördert wird. Wie konsequent Entscheidungen umgesetzt werden. Wie man mit Widerständen umgeht. Ob gestritten werden kann oder ob Konsens herrschen muss. Wie Kosten gesenkt werden. Was Prozesstreue bedeutet. Welche Konsequenzen Nicht-Einhaltung gemeinsam festgelegter Spielregeln hat.
Persönlich bin ich überzeugt, dass Unternehmenskultur daran spürbar wird, wie man an Inhalten arbeitet, und nicht primär daran, welche Inhalte man erarbeitet. Wenn es um die Absicherung des künftigen Unternehmenserfolgs geht, laufen die wahren Kulturprogramme. Nicht rund um «soft facts», sondern rund um absolute «hard facts».
Change-Management ist so viel mehr als der kürzlich von einem Mitarbeiter eines Kunden befürchtete «Workshop im Stuhlkreis, bei dem man auf die Befindlichkeiten von Mitarbeitern eingeht». Change-Management bedeutet nicht, dass man mit Wattebällchen wirft. Wie es stattdessen geht? Das müssten wir im Einzelfall besprechen. Was für mich in jedem Fall dazugehört: ein geschlossenes Management, Commitment der zweiten Führungsebene, Verstehen und Akzeptanz, Klarheit, bis zu verbindlichen Ergebnissen moderierte Arbeitstreffen, Tracking von Umsetzungsergebnissen. Im Ergebnis geht es um alles, worum es in der Blitzlicht-Umfrage ging.
Die Umfrageergebnisse
23% verstanden unter Change-Management ein Beschleunigen von Strategieumsetzung. 24% wollen den Wandel aktiv gestalten. Nur 9% denken, dass es darum geht, Widerstände zu beseitigen. 15% sehen die Mitarbeiterbeteiligung im Fokus. 30% verstanden unter Change-Management Kulturveränderung.
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
Bildquelle: www.gograph.com