Sind Projekt- und Change-Management zwei separate Handlungsstränge, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Change-Management wirkungslos bleibt.

Und doch passiert das relativ oft. Es gibt Charts zum Vorgehen im Projekt, eine Roadmap mit Meilensteinen und Umsetzungsphasen. Wenn ich nach den Zielen des Projekts frage, nennen Projektmanager oft typische Lieferergebnisse auf der Sachebene, z.B. ein neues System, neue Prozesse oder veränderte Organisationsstrukturen. Aber das sind nur halbe Ziele, dafür erreichbare.

Viele Projekte schliessen genau mit diesen halben Zielen, mit der neuen Software, definierten Prozesse, neuen Strukturen oder Standards. Allerdings entfalten solche Neuerungen nur ihre Wirkung, wenn Mitarbeitende damit arbeiten. Erst dann ist das Projekt erfolgreich und das ist nur erreichbar, wenn Projekt- und Change-Management integriert sind.

Die Grenzen von Kommunikation & Change

Projekte kommen nicht dadurch zum Ziel, dass Mitarbeitende informiert sind und das Management an ihre Vernunft appelliert und die gewünschte Verhaltensänderung beschrieben hat.

Wenn Manager im Projekt an den «Hard facts» arbeiten und unter Change-Management die Bearbeitung von «Soft facts» durch Kommunikation und Dialog verstehen, können sie leicht ihr Ziel verfehlen.

Ich halte wenig davon, wenn in Projekten ein separates Teilprojekt unter dem Titel Kommunikation und Change aufgesetzt wird, das z.B. einen Mindset-shift erreichen soll oder neue Werte, eine andere Kultur oder «die Leute abholen».

Meine gefestigte Erfahrung nach zwanzig Jahren Change-Management ist: Das funktioniert nicht. Stattdessen empfehle ich ein integriertes Projekt- und Change-Management, bei dem Projektmanager und Change-Manager eng zusammenarbeiten und gemeinsam zielführende Formen der Zusammenarbeit definieren.

Gründe für Scheitern und Erfolg von Change-Projekten

«Warum scheitern Change-Projekte?» Das habe ich in meinem letzten Weiterbildungskurs zum Thema «Business Transformation» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Teilnehmenden gefragt.

Viele waren bereits als Projektleitende von Veränderungsvorhaben unter die Räder gekommen, hatten nichts erreicht oder mit Widerständen zu kämpfen gehabt.

Als Gründe für das Scheitern oder auch den Erfolg von Change-Projekten wurde genannt, was viele aus dem klassischen Projektmanagement kennen: eine saubere Auftragsklärung mit dem Sponsor, kontinuierliche Prozessführung, enge Zusammenarbeit von Change-Manager und Projektmanager, dauerhaftes Interesse für das Projekt im Management, klare Entscheidungsprozesse, Konflikt- und Eskalationsmanagement, Risikomanagement, KPI für den Erfolg und klare Projektgovernance.

Projekt- und Change-Management

Diese Erfolgsfaktoren sind dieselben, die auch Projektmanager nennen, einfach deshalb, weil Projekt- und Change-Management beides geführte Prozesse und nicht unabhängig voneinander denkbar sind. Gelingende Projekte verändern und ohne gelingende Veränderung gibt es keine nachhaltige Zielerreichung im Projekt.

Erfolgsfaktoren für Projekt- und Changemanagement

Mit anderen Worten: Strategieumsetzung ist ein gemeinsames Tun von Projektteam und Mitarbeitenden, die das Neue in ihren Arbeitsalltag integrieren müssen. Das tun sie nur, wenn es dafür gute Gründe gibt, nicht nur für die Organisation, sondern auch für sie selbst.

Gute Gründe für Mitarbeitende sind nicht private Motive, sondern das, was die Organisation für sie attraktiv macht: finanzielle Anreize, gute Rahmenbedingungen für Arbeitnehmende, Anerkennung, Beförderungen, Einfluss, Macht.

Organisationen als sachorientierte soziale Systeme

Organisationen verändert man nicht mit Familientherapie oder durch die individualpsychologische Hoffnung, dass Mitarbeitende, wenn sie nur die richtige Einstellung haben, auch das aus Management-Sicht Richtige tun werden.

Der Grund ist, dass Familien personenorientierte, hingegen Organisationen sachorientierte soziale Systeme sind. Das bedeutet, dass es in Organisationen nicht darum geht, die Bedürfnisse und Werte von Individuen zu beeinflussen oder zusammenzubringen. Es geht um gemeinsame Ziele und gemeinsames Handeln, für das es – siehe oben – gute Gründe geben muss.

Das Verhalten von Menschen in Organisationen lässt sich ausschliesslich über das Richten von Aufmerksamkeit steuern. Was ist das IST, was das SOLL der Organisation? Was soll erreicht, was überwunden werden? Passen die Rahmenbedingungen der Organisation zu dem, was als neues Denken und Handeln verkauft wird? Macht das alles Sinn?

Kultur in sachorientierten sozialen Systemen

Mitarbeitende beobachten auch, ob Strategie und Kultur zusammenpassen. Sie sehen, hören und bemerken, worauf es in ihrer Organisation formell und informell ankommt, welches Verhalten vorteilhaft ist, was belohnt und was sanktioniert wird.

Wer wird befördert? Wer setzt sich im Management durch? Welche informellen Netzwerke gestalten Themen? Was wird verändert und durch wen? Was passiert mit Leistungsträgern? Was passiert mit Mitarbeitenden, die erkennbar nicht tun oder erreichen, was die Organisation will und braucht?

Integriertes Projekt- und Change-Management ermöglich es, beobachtbare Ereignisse rund um Thema und Ziele des Projekts zu liefern. Dazu kann gehören, die Perspektive der Betroffenen glaubwürdig zu berücksichtigen, z.B. in partizipativer Projektarbeit, und sie den Nutzen der Veränderung erleben zu lassen.

Und falls es nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer der Veränderung gibt, kommt es darauf an, für diese Verlierer sichtbar Lösungen zu schaffen, denn auch der beobachtbare Umgang mit jenen, die Nachteile durch einen Change haben, fällt auf das Management zurück.

Sinndimensionen in sozialen Systemen

Niklas Luhmann hat für das Verständnis und die Veränderung von sozialen Systemen drei Sinndimensionen beschrieben: die Sozial-, Sach- und Zeitdimension.

Auf der Sachdimension geht es um die Frage, was und wie etwas getan werden muss. Auf der Sozialdimension geht es darum, wer mit wem worüber spricht, wer etwas beeinflusst und wie und durch wen Themen gesetzt werden.

Auf der Zeitdimension geht es um die Frage, wofür die knappe Gegenwart genutzt wird: zum Lernen (Vergangenheitsbewältigung), zur operativen Effizienzsteigerung (Gegenwartsbewältigung) oder zur Ausrichtung auf nachhaltigen Erfolg (Zukunftsbewältigung).

Grundannahme ist, dass Organisationen soziale Systeme sind, in denen Strukturen und Prozesse sachlichen Zielen und Zwecken gerecht werden müssen. Es geht also darum, das Zusammenwirken der Menschen und die Diskurse in der Organisation über geeignete Formen von Führung und Zusammenarbeit so zu gestalten, dass die Organisation ihre Ziele erreicht.

Integriertes Projekt- und Change-Management

Nicht erst seit Selbstorganisation und Methoden agiler Zusammenarbeit in aller Munde sind, ist klar, dass Transformation in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Sache beginnt und im Erreichen gemeinsamer Ziele mündet.

Werden Projekt- und Change-Management zusammen geplant, dann geht es ebenso um die Was- und Wie-Inhalte des Projekts wie um die Betroffenen und ihr Bedürfnis nach dem Sinn der Veränderung.

Das bedeutet, dass es klare Unterscheidungen gibt, wann Betroffene an der Erarbeitung von Inhalten beteiligt sind und wann nicht. Auch das Timing im Projekt entscheidet sich über die Methodenwahl und den Change-Aspekt. Müssen viele Mitarbeitende eine Neuerung zunächst verstehen und dann verlässlich umsetzen, braucht es entsprechende Formate und sichtbare Beweise für die Verbindlichkeit der Veränderung.

Fazit: Veränderungsvorhaben können am besten erfolgreich durchgeführt werden, wenn Projektmanager, Change-Spezialisten und auftraggebendes Management ihre Sicht der Dinge abgleichen und einzeln und zusammen ihren Beitrag zum Change leisten.

Wenn das Alignment der handelnden Personen sich in einem integrierten Vorgehen spiegelt, dann ist die Change hoch, dass sich Massnahmen und Methoden ergänzen und das stattfindet, was für die Betroffenen erforderlich und sinnvoll ist, um in die Umsetzung zu gehen.