Digitalisierung scheint in manchen Unternehmen vor allem zu bedeuten, das digitalisiert wird. Was genau damit bezweckt werden soll und ob die Ziele erreicht werden, ist eine andere Frage.
«Welche Art von Veränderung ist bei Ihnen in der IT zurzeit am wichtigsten?» Das war die Blitz-Umfrage auf unserer Homepage im Oktober. Was für eine Frage? Ist die Antwort nicht klar? Alles dreht sich um Digitalisierung! Aber wie viel Innovation entsteht tatsächlich aktuell durch Digitalisierung?
Die spartanische Blitzumfrage auf der Website habe ich kombiniert mit anderen Erkenntnissen zum Wandel, der in der IT passiert und von der IT ausgeht. Ich habe ein paar Studien gewälzt, Artikel gelesen, Social Media gescreent und mit Menschen in IT-Abteilungen und IT-Beratungsfirmen gesprochen.
Mein Zwischenfazit zum Thema Digitalisierung hat René Magritte schon 1929 gemalt: Abgebildet ist eine Pfeife und darunter steht «Ceci n’est past une pipe (Dies ist keine Pfeife)». Nicht den Begriff mit der Wirklichkeit verwechseln! Nicht alles, was unter dem Stichwort Digitalisierung stattfindet, ist wirklich neu und innovativ.
Digitalisierung als totaler Wandel
Es war zu erwarten, dass auch unsere kleine Blitzumfrage bestätigt: Digitalisierung ist das alles beherrschende Thema in der IT. Firmen verspüren gestiegene Anforderungen an das Business und übertragen dies auf Anforderungen an die IT, deren geschäftliche Relevanz rasant gestiegen ist.
Frage ich IT-Spezialisten in Firmen, was Digitalisierung bedeutet, so kommen anspruchsvolle Definitionen. Mit Digitalisierung wird eine umfassende Vernetzung von Information, Verhalten und Prozessen bezeichnet, die der Komplexität und Dynamik unserer Welt und den Bedürfnissen von Menschen in dieser Welt gerecht wird.
Insofern müssten die vielen Digitalisierungsprojekte in den Unternehmen neue und zukunftweisende Ideen ins Geschäftsmodell bringen. Neue Produkte und Services, neue Formen der Kundenbindung und der Markenbildung. Aber ist das wirklich so?
Digitalisierung als Erneuerung
Analysen von Beratungsfirmen ist zu entnehmen, wofür Unternehmen in der IT Geld ausgeben. Man sieht: Digitalisierung hat oft wenig mit Innovation zu tun. Die Ausgaben für Ersatz und Neugestaltung von IT sinken ebenso wie die für die Evaluierung von Innovationen. Stattdessen steigen die Ausgaben für Betrieb, Wartung und Pflege.
Es gibt offenbar keinen engeren Zusammenhang zwischen der Bedeutung von Digitalisierung für das Unternehmen und der Höhe des Innovationsbudgets. Stattdessen führt der Digitalisierungswunsch zu Investitionen in infrastrukturelle Rahmenbedingungen und bestehende Systeme. Demnach wird im Rahmen der Digitalisierung offenbar häufiger Vorhandenes aufgerüstet, modernisiert, vernetzt, anstatt dass wirklich Neues eingeführt wird.
Digitalisierung als Bereinigung
Bekannte Digitalisierungsthemen sind: Big Data, Sourcing, Cloud und Operational Excellence im Sinne einer möglichst vollständigen Abbildung aller Prozesse entlang der Wertschöpfungskette mit dem Ziel der Qualitätssteigerung und Effizienz.
Weiterhin wichtig, teils auch schon gut versorgt sind Security-Themen. Zunehmend angestrebter Nebeneffekt von Digitalisierung ist die Rationalisierung des Applikations-Portfolios und damit auch die Bereinigung historisch gewachsener Strukturen.
Diese Themen sorgen allerdings noch nicht für Innovation. Sie schaffen Voraussetzungen für bessere Datenanalyse, mehr Prozesseffizienz, mehr Transparenz, bessere Steuerung, Vereinheitlichung und Modernisierung gewachsener Strukturen.
Die Chance solcher Digitalisierungsprojekte liegt im Neuzugang zum Thema Kundenverständnis. Ob diese Chance ergriffen wird, ist allerdings kein Thema der IT.
Digitalisierung als Thema der IT
In vielen IT-Abteilungen lässt das Bemühen um Digitalisierung zunächst die Eigenleistungstiefe zunehmen. Das müsste nicht sein und passt nicht zum Anspruch von CIOs, als strategische Partner des Business zu handeln, als Architekten von business-relevanten IT-Strukturen und als planvolle Sourcing-Manager.
Doch der Druck, die Anforderungen aus dem Business zu bewältigen, führt oft dazu, in eigener Regie eigene Lösungen zu entwickeln. Digitalisierung als das Abbilden eigener Prozesse in eigenen Lösungen, mit Schnittstellen zu mobilen Endgeräten von Kunden.
Digitalisierungsprojekte im Sinne von Software-Entwicklung verlaufen Studien zufolge oft hektisch und lösen keine Begeisterung bei den Usern aus. Fachabteilungen fordern schnelle Lösungen, die dann nicht als zufriedenstellend empfunden werden, weil sie nicht genug können. Noch dazu werden die Projekte nicht pünktlich fertig. Die Folge sind häufigere Releases und ein permanentes Anpassen der Lösung.
Etwas klappt offenbar nicht an den Schnittstellen von Entwicklung und Betrieb, von Business und IT. Viele IT-Einheiten sind in ihren Berichtslinien und Prozessen gar nicht für solche Art von Zusammenarbeit aufgestellt. Hinzu kommen veränderte Rollen in der IT. Denn Digitalisierung erfordert Change-Manager, die ein produktives Zusammenspiel von Entwicklung, Betrieb, User-Bedürfnissen, externen Dienstleistern und Software-Architektur orchestrieren können.
Digitalisierung als Thema von CIOs
Im Schnitt steigen die IT-Budgets weiter an. Das spricht für die Macht der CIOs. Es ist Geld da für Digitalisierung. Können CIOs aber auch mehr gestalten seit alle von Digitalisierung reden?
Anscheinend müssen CIOs unverändert um Einfluss auf oberster Führungsebene kämpfen. Zwar ist im Management das IT-Knowhow in den letzten Jahren besser geworden. Insgesamt aber hat das nicht zu mehr Verständnis für die Belange des CIOs geführt, sondern dazu, dass mehr Lieferergebnisse in kürzerer Zeit gefordert werden. Der Zeit- und Kostendruck für CIOs ist gestiegen.
Gleichzeitig bleiben die Lieferergebnisse der IT oft hinter den Erwartungen zurück. Mehr Druck und weniger Digitalisierung? Die Hürden liegen Studien zufolge weder beim Budget, noch in der IT, sondern in der Innovationsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit des Business.
Wesentliche Digitalisierungshürden sind starr hierarchische und dezentrale Organisationsstrukturen, die eine übergreifende Planung in Sachen Digitalisierung verhindern. Die Unterstützung des Top-Managements für eine übergreifende Koordination endet offenbar dort, wo Partikularinteressen beeinträchtigt wären.
Fazit
Die kleine Blitzumfrage zeigt, welche Themen zurzeit unter dem Stichwort Digitalisierung laufen. Ist es schon Digitalisierung, wenn Systeme anschlussfähig gemacht werden für mobile Endgeräte? Ist es etwa keine Digitalisierung, wenn gewachsene Strukturen im Zuge der Modernisierung harmonisiert werden? Kann die Erneuerung von Systemen und Infrastruktur heute stattfinden, ohne Digitalisierung zu sein?
Eins ist klar: Digitalisierung funktioniert nicht ohne Organisationsentwicklung. Es geht um bereichsübergreifende Zusammenarbeit, um Kundenorientierung, Steuerung, Innovation und Ausrichtung auf die Strategie.
Und deshalb passt es, wenn eine Organisationsberatung wie Cambia Line Consulting nach den Veränderungsthemen in der IT fragt.
Die Umfrageergebnisse
Die überwältigende Mehrheit von 53% der Umfrage-Teilnehmenden sieht Digitalisierung als wichtigstes Veränderungsthema der IT. 23% sehen die Harmonisierung gewachsener Strukturen als Top-Thema. 15% sehen die IT vor allem beschäftigt mit der Erneuerung von Systemen, z.B. durch Migrationsprojekte. Eine Minderheit von 9% ist mit der Integration von zugekauften Einheiten auf bestehende IT-Strukturen beschäftigt.
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
Die Umfrageergebnisse wurden zusammengedacht mit Erkenntnissen aus den folgenden Quellen:
- IT-Trendstudie von Capgemini
- Technologie-Trendstudie von PWC bzw. Strategyand
- Technologie-Trend-Studie von Deloitte
Bildquelle: www.gograph.com
Bildquelle: www.gograph.com