Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Rotieren wie wahnsinnig und doch nicht vorankommen? Wie kann das sein? In der Projekt-Leitung wie auch in der Team-Führung ringen Manager mit der Fülle, Dichte und Kurzfristigkeit operativer Themen. Unterschiedliche Erwartungen müssen unter einen Hut gebracht werden. Alles hängt miteinander zusammen. Es gibt Zielkonflikte. Die Stakeholder sind anspruchsvoll. Die Lage wird unübersichtlich. Es ist komplex!

Und je mehr sich die Verantwortlichen in den operativen Wahnsinn stürzen, umso komplexer wird alles. Viele Themen, viele To Do’s, alles schnellschnell. Trotzdem nicht die erwünschten Ergebnisse, keine höhere Termintreue, keine bessere Zielerreichung.

Überblick verschaffen

Wenn’s unübersichtlich wird, dann hilft wirklich nur das eine: innehalten, Überblick schaffen, entschlossen entscheiden. Das Schwierigste dabei ist wahrscheinlich, tatsächlich das Hamsterrad zu verlassen. Nur kurz, aber eben ganz.

Statt in gewohnter Hast gegen die Quantität der Themen anzukämpfen, muss ein Filter gefunden werden, der nach Qualitäten unterscheidet. Denn Komplexität managen bedeutet: Komplexität reduzieren und die Energie richtig einsetzen – für die Dinge, auf die es wirklich ankommt. Mit einer schematischen Abfolge von sieben Prozessschritten ist das möglich (basierend auf einer Abhandlung der beiden Psychologen Dietrich Dörner und Harald Schaub «Handeln in Unbestimmtheit und Komplexität»).

1 – Zielbildung

Nicht generisch und unbestimmt mehr von etwas wollen («mehr Wachstum», «bessere Qualität», «schnellere Umsetzung»)! Formulieren Sie stattdessen möglichst präzise. Auf diese Weise benennen Sie meist, direkt oder indirekt, auch die Hürden und Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum Ziel.

2 – Schwerpunktbildung

Wahrscheinlich werden Sie weiterhin mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen müssen. Was Sie ändern können, ist die Konsequenz, mit der Sie priorisieren und nach Prioritäten handeln. Ihre Kriterien dabei sind: Wichtigkeit, Dringlichkeit, Erfolgswahrscheinlichkeit. Natürlich können Sie gerne zunächst das angehen, was einfach erreichbar ist. Low hanging fruits. Aber konzentrieren Sie sich nicht nur darauf. Sie müssen auch die harten Nüsse knacken.

3 – Sammeln von Informationen

Beschaffen Sie Informationen, die das Bild der Situation vertiefen und zu den definierten Zielen passen! Sorgen Sie dafür, dass Sie Hintergründe verstehen und Einflüsse aus verschiedenen Richtungen der Organisation oder aus der Umwelt erfassen. Es kommt darauf an, dass Sie das eigene Wissen überprüfen und erweitern. Hinterfragen Sie die eigenen Hypothesen, denn vielleicht waren Sie bisher zu sehr von Annahmen geleitet, die Sie revidieren müssen.

4 – Modellbildung

Gerade, wenn Sie die komplexe Situation gemeinsam mit anderen bewältigen müssen – nichts ist so einprägsam und hilfreich wie ein gemeinsames Bild der Wirkzusammenhänge! Worauf kommt es an? Wie hängen die wirklich relevanten Faktoren miteinander zusammen? Wie funktioniert der Mechanismus, der eine Situation komplex macht? Ist die Mechanik des Problems klar, wird auch die Mechanik der Lösung deutlich. Jede komplexe Lage hat ihre spezifischen Stellschrauben.

Komplexität managen

5 – Prognosen

Sind diese Schritte gemacht, dann ist die Gegenwart gut beleuchtet. Jetzt können Sie Ihren Blick in die Zukunft lenken und nach vorne weiterdenken, was Sie über das Heute wissen. Treffen Sie Annahmen zum Verlauf der Dinge. Wie kann die Zukunft aussehen in Ihrem komplexen System? Welche Optionen gibt es? Auch wenn unterwegs alles anders kommen kann… Sie müssen wissen, welche Entwicklungen Sie auf jedem Fall verhindern und welche fördern wollen.

6 – Planen / Entscheiden

Suchen Sie nach Lösungen und schmieden Sie einen Plan. In einer überfordernd komplexen Situation, kommt es beim Planen besonders auf Pragmatismus und Fokus an. Vielleicht erliegen Sie auch den üblichen Verführungen beim Planen. Zu viele oder zu wenig Details, zu viel Optimismus oder zu wenig Flexibilität. Worauf es am meisten ankommt: Sie brauchen einen Plan. Und einen Umsetzungsentscheid von relevanter Stelle, mit der Ihr Plan «offizialisiert» wird. Ab da können Sie in kurzfristiger, rollierender Planung die Treffsicherheit erhöhen.

7 – Umsetzung und Effektkontrolle

Die Umsetzung einer Massnahme ist noch keine erfolgreiche Massnahme, selbst wenn es eine erfolgreiche Umsetzung einer Massnahme war. Überprüfen Sie, welche Wirkung eine Massnahme hatte! Das ist auch die Gelegenheit zu ernsthafter Selbstreflexion. Hinterfragen Sie, was geklappt hat und was nicht und auch jeweils warum. Es macht nicht so viel Freude, sich mit Fehlern und Tiefschlägen zu befassen. Tun Sie’s trotzdem. Nur so werden Sie besser. Lernen Sie von Misserfolgen ebenso wie von Erfolgen. Machen Sie in der nächsten Runde besser, was man besser machen kann.

Ihr Fazit?

Sie haben das jetzt gelesen und denken: Kalter Kaffee, kenne ich alles schon. Warum machen Sie’s dann nicht immer? Warum fällt der eine oder andere Schritt unter den Tisch, wenn’s komplex wird? Denken Sie, dass Sie trotzdem die Komplexität im Griff haben?

Gönnen Sie sich doch einfach mal in der nächsten Sitzung Ihres Projekt- oder Management-Teams eine Modellbildung zur aktuellen Situation? Oder eine Diskussion über Prioritäten und Schwerpunktbildung. Sie werden sicher eine spannende und fruchtbare Debatte erleben, die das Team stärkt und das Managen von Komplexität einfacher macht.

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Bildquelle: www.gograph.com