Am Weltfrauentag sind soziale Medien und Online-News wieder voll mit Meldungen zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Anscheinend ist die Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsleben noch nicht geschafft. Daran darf an diesem Tag nachdrücklich erinnert werden. Gleichzeitig freue ich mich nicht nur an diesem Tag darüber, was schon im Thema Diversity geschafft wurde und denke dabei an das, was ich selbst in meinem Berufsweg und in meinen Beratungsprojekten erlebt habe.
Sinnlose Selbstbeschränkung
Vor über 15 Jahren gehörte ich in einer Bank zu den weiblichen Nachwuchstalenten, die man zur Teilnahme an einem Women’s Business Network einlud. Meine männlichen Kollegen witzelten, dass die Abkürzung WBN sicher für Waschen, Bügeln, Nähen stünde. Sie hätten gehört, dass es in diesem Damen-Netzwerk vor allem darum ginge, dass Frauen gern Teilzeit-Jobs hätten, weil sie Kinder kriegen wollten. Leider muss ich sagen: Es ging den meisten Frauen in diesem Netzwerk damals um nicht viel mehr als um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Sinne von Teilzeitarbeit. Ein berechtigter Anspruch, der allein aber eben nicht ausreicht, um als Frau im Berufsleben ernst genommen zu werden.
Missverständnisse auch am Weltfrauentag
Der Weltfrauentag ist eine gute Gelegenheit, um an den häufigen Selbstbetrug zum Thema Gleichberechtigung zu erinnern.
Vor etwa fünf Jahren wurde ich in Deutschland von einem DAX-Konzern beauftragt, eine Vorstudie zum Thema «Mixed Leadership» zu erstellen. Es gab damals in Deutschland die Diskussion um eine freiwillige Selbstverpflichtung der 30 DAX-Unternehmen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Mein Auftraggeber war ein Unternehmen mit eher männlich geprägter Führungskultur. Bis auf die HR-Chefin waren nur Männer im Vorstand. Im gehobenen Management gab es so gut wie keine Frauen. Selbst die Männer sagten, es sei für die Karriere wichtig, Zugang zum «old boys‘ network» im Top-Management zu haben.
In diesem Unternehmen habe ich im Kick-off zur Mixed-Leadership-Initiative einen Vortrag über Diversity gehalten. Unter anderem habe ich aufgezeigt, dass Frauen nicht unbedingt anders führen als Männer. Es gibt Frauen mit autoritärem Führungsstil wie es Männer gibt, die integrativ sind und über Sozialkompetenz verfügen. Ganz sicher ist es nicht so, dass Frauen irgendwie besser auf Menschen eingehen können, was die meisten Teilnehmerinnen des Kick-offs glaubten.
Auch habe ich eine weitere gesicherte Erkenntnis aus Studien erwähnt, dass nämlich heterogene Führungsgremien bessere Entscheidungen treffen als homogene. Mit anderen Worten: Wenn Männer in Führungspositionen Männer nachziehen, die so ähnlich ticken wie sie selbst, bringt dies das Unternehmen nicht wirklich nach vorn. Führungsteams, in denen es Unterschiede und Vielfalt gibt, kommen zu besseren Entscheidungen, was sich auf den Erfolg des Unternehmens auswirkt.
Zu meinem Entsetzen fragten einige der Teilnehmerinnen des Kick-offs – meist kinderlose Führungskräfte Anfang 50 mit ausgeprägtem Leistungsethos – warum man denn mehr Frauen in Führungspositionen bringen wollte. Sie selbst wären immerhin auch aufgrund ihrer Leistung in eine Führungsposition gekommen, obwohl sie Frauen seien. Eine besondere Förderung hätte es da nicht gebraucht. Die Damen verstehen vermutlich auch nicht, warum es den Weltfrauentag gibt.
Neue Normalitäten
In den letzten Jahren hat sich viel geändert. Die Frauengeneration, die heute in Führungspositionen ist oder nachrückt, will anderes als Teilzeitarbeit. Ich kenne Frauen in Management-Teams, die mit souveräner Rhetorik warten, bis ihre Kollegen sich argumentativ verausgabt haben, um dann gegen Ende der Sitzung das entscheidende Fazit zu ziehen und den abschliessenden Entscheid zu formulieren.
Ich kenne in Führungspositionen und Schlüsselfunktionen von Unternehmen verschiedenster Branchen Männer, die Männer lieben und Frauen, die Frauen lieben. Es kräht kein Hahn danach. Sie sind in ihren Funktionen, weil sie fachlich und persönlich integer sind.
Kürzlich bekam ich mit, wie der Schweizer Chef eines kleinen Teams, das für die Unternehmung von strategischer Bedeutung ist, eine neue Mitarbeiterin einstellte. Von fünf Personen im Team kommen jetzt drei aus Deutschland. Er sagt, er habe nur per Zufall Ausländer aus dem «grossen Kanton» eingestellt, er hätte primär Menschen eingestellt, welche fachlich qualifiziert seien und persönlich gut zusammenpassten.
Ich kenne Frauen in Top-Management-Positionen, die Kinder und Karriere selbstverständlich vereinbaren – das zwar nicht immer ganz locker schaffen, aber nichts absurder finden, als wenn ein männlicher Kollege sie bei einer anstehenden Beförderung fragt, ob sie es denn im Griff hätten, wenn mal ein Kind krank würde. Und ich kenne etliche Männer, die ihr Arbeitspensum für ihre Familie reduziert haben. Und zwar nicht, damit nicht alles an ihrer Frau hängen bleibt, sondern vor allem, weil sie die Familienzeit als Bereicherung empfinden.
Solche Beispiele zeigen mir, dass im Berufsleben heute Diversity viel selbstverständlicher geworden ist. Für Frauen bedeutet dies, dass sehr viel mehr möglich ist als noch vor 15 Jahren. Weil Frauen mehr wollen und Männer sich daran gewöhnt haben.
Merkwürdige Sonderbehandlung
Wie schon vor rund zehn Jahren betonen verschiedene Banken wieder, dass sie mit besonderer Aufmerksamkeit für weibliche Kundschaft da sind. Wenn man Umfragen Glauben schenkt, nach denen rund 30% der Frauen auf die Frage nach ihren Finanzen sagen, dass sich darum ihr Mann kümmere und sie davon nichts verstünden, dann ist es clever von Banken, diese Frauen gezielt anzusprechen.
Völlig fatal, dass Frauen, die schon aufgrund von Familienzeiten oft keine durchgängige Altersvorsorge betreiben, ihre finanzielle Situation nicht mit derselben Selbstverständlichkeit regeln wie Männer das tun. Aber auch völlig kurzsichtig von Frauen, aufgrund ihres Geschlechts eine andere Art von Beratung von Banken zu erwarten. Sie erhalten dieselben Produktempfehlungen und Dienstleistungsangebote wie männliche Kunden – nur die vorgeschaltete PR ist anders. Teil der PR sind auch die Statements zum Weltfrauentag.
Völlig verrückt auch, dass die Männer nicht ins Grübeln kommen. Da sind sie langjährige Kunden bei einer Bank und dann kommuniziert dieselbe Bank, dass sie sich für die weibliche Kundschaft um verständlichere Beratung bemühe. Ich nehme an, die meisten männlichen Bankkunden halten sich nicht für intelligenter als Frauen. Sie mögen teils erfahrener in Bankgeschäften sein. Aber sollten sie nicht über ihr Entscheidungsverhalten nachdenken? Wenn sie dieselbe Beratung erhalten, die Banken gegenüber Frauen für teils unverständlich halten, was sagt das dann über das Entscheidungsverhalten der männlichen Kunden aus?
Der Weltfrauentag löst Freude in mir darüber aus, das vieles erreicht wurde und heute selbstverständlich ist, wofür Generationen von Frauen früher kämpfen mussten. Nicht nur am Weltfrauentag bin ich leicht entrüstet über die vielen Feigenblattinitiativen und PR-Kampagnen, mit denen Unternehmen behaupten, sich für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. Ich bin darüber nur leicht entrüstet, weil ich noch verblüffter über die Frauen bin, die sich davon beeindrucken lassen.
Und so rufe ich zum Abschluss dieses Blogs ein fröhlich-entschlossenes «Towanda» jenen Frauen zu, die ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und einfach selbst nach der Verantwortung für ihr privates Glück und ihre Zielerreichung im Job greifen.
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
Das Buch zur Zeit-Kolumne von Katja Berlin: Torten der Wahrheit.