Mehrzweckwaffe als Jobprofil – klingt kurios, zieht sich aber durch meinen Lebenslauf. Wie wurde ich zur «Mehrzweckwaffe»? In meinem allerersten Vollzeitjob habe ich wirklich viel Relevantes gelernt. Das denke ich noch heute – über 20 Jahre später. Ich kam frisch promoviert von der Uni zur Strategieberatung Roland Berger. Meine Haare waren noch von einer Haarspange am Hinterkopf zusammengehalten, in meiner Freizeit spielte ich Geige.

Als Geisteswissenschaftlerin war ich geübt darin, strukturiert zu denken, kritische Fragen zu stellen und kreativ zu arbeiten. Ich konnte Sachverhalte konzeptionell gegen den Strich bürsten, war schon damals kommunikativ und immer offen für herausfordernde Aufgaben.

Nicht vorbereitet war ich auf die schnöde Welt der Wirtschaft. Zwar wollte ich genau da hinein und der Job in einer Strategieberatung dafür mit das Beste, was mir passieren konnte. Gleichzeitig war ich einige Zeit durchaus voll gefordert. Die Lernkurve war steil und ein «Reality check» für vieles, was ich später im Berufsleben gemacht habe.

Umgeben von vielen schlauen und fordernden Menschen habe ich fast ruckartig lernen können, dass man Lieferergebnisse auch bis gestern fertigmachen kann, wie man Inhalte «verchartet», dass meistens auch 80%-Lösungen gut genug sind und es mehr darauf ankommt, was der Kopf kann als darauf, was man schon im Kopf hat.

Stringenz, Struktur, Methodenwissen

Sie wollen wissen, was genau ich in meinem ersten Job gemacht habe? In meiner ersten Zeit bei Roland Berger arbeitete ich in der Abteilung «Editing». Das klang nach inhaltlicher Arbeit, Sprachgefühl, Textbearbeitung und einer Exotenstelle für Nicht-Betriebswirte. Es war aber mehr. Strategieberatungen in den 90er Jahren waren pfiffig. Ein «Editing» gab es ähnlich wie bei Roland Berger u.a. auch bei McKinsey. Man gönnte sich ein Team, das beim Denken half.

Die Abteilung unterstützte Berater darin, konzeptionell-analytisch präzise und überzeugend zu arbeiten. Ein Teil der Arbeit bestand darin, Dokumente argumentativ stringent zu machen und auf ein hohes Qualitätsniveau zu bringen, z.B. Unterlagen für Steuerungsausschüsse von Projekten. Editing hatte tatsächlich auch mit Versprachlichen und Verarbeiten von Inhalten zu tun.

Nach vielen Jahren Berufstätigkeit bin ich überzeugt, dass das sprachliche Genauigkeit eine in vielen Unternehmen unterrepräsentierte Kompetenz in der Strategiearbeit ist. Zusammenhänge verstehen, gedanklich und sprachlich schärfen, die Zukunft denken, Visionen auf den Punkt bringen, für Klarheit zu sorgen ohne dabei hart zu sein – das alles brauchen gerade Führungskräfte unbedingt, sind aber nicht immer trainiert darin.

Ein anderer Teil meines Jobs bestand darin, als Moderatorin von Kick-off-Meetings und anderen Workshops Projektteams darin zu unterstützen, ihre Arbeit sauber zu strukturieren, Teilprojekte überschneidungsfrei zu definieren, Themen und Arbeitspakete klar zuzuordnen und so komplexe Handlungsfelder steuerbar zu machen. Das hat mich als junge Frau in Unternehmen unterschiedlichster Branchen geführt und unter Zeitdruck verschiedenste Themen bearbeiten lassen.

Mehrzweckwaffe jenseits des Tagesgeschäfts

Die Qualitäten und Skills, auf die es in meinem ersten Job ankam, sind auch heute wesentlich für meine Arbeit. Als Beraterin bringe ich in Unternehmen einen Arbeitsstil ein, den Mitarbeitende aus operativen Einheiten oft nicht entwickeln müssen. Sie müssen im operativen Liefermodus sein. Für konzeptionell-strategisches Arbeiten bleibt ihnen wenig Zeit. Gleichzeitig ist genau das gerade in Transformationsphasen extrem wichtig.

In Projektteams, die nur aus internen Mitarbeitenden bestehen, fehlt es oft daran. Ich habe auf Projekten schon Kurz-Seminare in «Pyramid thinking» durchgeführt, einem immer noch hilfreichen Denkansatz von Barbara Minto, der in den 90ern bei McKinsey und Roland Berger gebräuchlich war und mit einfachen Strukturprinzipien das logische Denken und Formulieren schärft. Das war ein guter Impuls für die internen Kollegen. Das Nachdenken im «Beraterstil» hat ein gemeinsames Verständnis gefördert, wie Lösungsansätze entwickelt werden können.

Disziplin im Denken ist das eine. Tatkraft und Pragmatismus ist das andere. Schon mein erster Job hat mir teilweise ein wildes Tempo abverlangt. Die Tage und manchmal auch halbe Nächte waren dicht gefüllt. Zeitpläne waren eigentlich immer eng. Es gab keinen Zweifel, dass sich immer aus dem Boden stampfen lässt, was dringend gebraucht wird.

Muss man für diesen Arbeitsstil extern sein? Wahrscheinlich schon. Zum einen sind interne Spezialisten immer auch verstrickt in informelle Gemengelagen. Sie können weniger frei die unangenehmen Wahrheiten aussprechen, die es für den Durchbruch in Krisensituationen manchmal braucht. Kommt hinzu, dass der manchmal ungestüme Arbeitsstil strategischer Projekte für das Tagesgeschäft nicht gesund wäre. Als externe Beraterin fällt es mir leicht, positive Energie einzubringen und Gas zu geben, damit die internen Verantwortungsträger erfolgreich sind.

Jobprofil «Mehrzweckwaffe»

In einem meiner aktuellen Projekte hat mich der Leiter einer strategischen Initiative eingekauft mit den Worten: «Schreib eine Offerte. Du hast sicher gute Ideen, die uns weiterbringen können. Im Grundsatz will ich Dich aber als Mehrzweckwaffe.» Das war ein schönes Kompliment. Er gönnt sich mich als Sparringspartner. Eine sinnvolle Investition. Die Initiative, die er leitet, ist von solcher Tragweite für das Unternehmen, dass es absolut sinnvoll ist, dass er seine Gedanken und Entscheidungen mit einem «zugekauften Hirn» prüft und schärft. Ich unterstütze ihn, wie eigentlich immer in meinen Projekten, in den Themen Change-Management, Kommunikation, Stakeholder-Management und Konzeptarbeit im Zusammenhang mit Strategieumsetzung.

«Mehrzweckwaffe» ist ein martialischer Begriff. Und doch bin ich’s gern. Es ist schön, für die Bewältigung verschiedener Herausforderungen eingesetzt zu werden. Ich bin dankbar für das Vertrauen in meine Flexibilität und vielseitige Verwendbarkeit.

In meinem Kopf verbindet sich das Wort mit wenig martialischen, sondern eher kleinen und relativ harmlosen Multifunktionsgeräten. Witzigerweise haben mir in den vergangenen Jahren zwei Mal Kunden solche Werkzeuge geschenkt: Einmal war es ein klassisches Schweizer Sackmesser mit überraschend vielen Ausklappinstrumenten. Ein anderes Mal war es ein Schraubendreher von einer Emmentaler Firma für Präzisionswerkzeuge mit verschiedenen Aufsteckköpfen. Beide Geschenke wurden mir mitten in der Zusammenarbeit mit fast freundschaftlicher Geste überreicht. Ich bin beide Male leicht errötet. Es gibt für mich in meinem Job nichts Schöneres, als für Kunden praktischen Mehrwert zu stiften und dafür die Anerkennung zu spüren!

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Bildquelle: www.gograph.com