Oft ist es das ganz subjektive Zeitempfinden von Auftraggebern und Mitgliedern des Projektteams, das wichtige Entscheidungen und Manöver im Change beeinflusst. Das Gefühl für Timing ist dabei ganz unterschiedlich. Es hat teils mit Erfahrung, teils mit Einstellungen wie Risikobereitschaft und Zuversicht, der eigenen Arbeitsweise und der Spannung zu tun, unter der die persönliche Antriebsfeder steht.

Subjektives Zeitempfinden

Die Frage, wie viel Zeit ein Vorgang in Anspruch nimmt und bis wann ein Lieferergebnis fertig sein muss, wird völlig unterschiedlich beantwortet. Die Vorgabe «asap» erlebe ich häufig in Kombination mit Macht, denn wer hierarchisch oben und damit für viele Themen geradesteht, empfindet die Verantwortung für Themen oft mit stärkerer Dringlichkeit als die mit der Umsetzung beauftragten Mitarbeitenden. «asap» kann ein guter Startpunkt sein, um Teams die Verantwortung für das richtige Timing zu übergeben. Es ist dann an ihnen, eine realistische Planung vorzulegen.

Natürlich prallen hier manchmal subjektive Eindrücke der Verlaufsdauer aufeinander. Ob etwas wirklich so lange dauern muss oder nicht auch schneller gehen kann, ist eine Frage der Betrachtung. In Unternehmen ist Zeitempfinden nach meiner Erfahrung eng mit Kulturfragen gekoppelt, denn hier geht es wesentlich um die Bedeutung von Leistung und um Vorstellungen von Effizienz.

Leistung, Kultur und Reife

Leistung im Sport ist definiert durch den Zusammenhang von der in einer Zeitspanne umgesetzten Energie zur messbaren physikalischen Leistung. Oder anders: Wenn ein Läufer mehr Energie einsetzt, schafft er seine Strecke in kürzerer Zeit. Dann gibt’s natürlich noch den Trainingseffekt: Wenn ein besser trainierter Läufer dieselbe Energie einsetzt, wird er dieselbe Strecke in noch kürzerer Zeit schaffen als der Freizeit-Jogger. Er setzt im Verhältnis weniger Energie ein und kommt effizienter voran.

Manche Unternehmen sind stolz auf ihre Leistungskultur. Die Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden ist hoch, man arbeitet intensiv. In anderen Unternehmen ist das «Höher-Schneller-Weiter» weniger wichtig. Beides hat seine Vor- und Nachteile. In einer Leistungskultur sind die Reaktionszeiten kürzer, Innovation und strategische Kursänderungen fallen leichter. In Unternehmen, die ruhiger getaktet sind, gelingt häufig die Alltagsroutine gut.

Führungskräfte und Projektleiter, die etwas verändern wollen, höre ich oft über fehlende Leistungskultur klagen. Sie leiden darunter, dass Mitarbeitende auch in strategisch wichtigen Initiativen – noch ein Bild aus dem Sport – einfach nicht mit höherer Schlagzahl rudern als sie es gewohnt sind. Es geht nicht voran, Termine verschieben sich, Ziele werden nicht erreicht. Und nur wenige sind deswegen besorgt.

Ein gutes Zeitgefühl in Projekten sagt auch etwas über den Reifegrad eines Unternehmens aus. Zunächst gemächliche, später überhitzte Projekte, zu viele Projekte zur selben Zeit, von den dann mehrere wegen auftretender Probleme in den Krisenmodus wechseln – all das ist nach meiner Erfahrung weniger typisch für leistungsorientierte Unternehmen, sondern kommt eher in Unternehmen vor, die aufholen müssen, um in Markt und Wettbewerb vorne mitzuspielen und die dann zu viel wollen und den eigenen Rhythmus nicht finden.

Timing in Projekten

Wie lange darf etwas dauern? Wann muss man mit einer Arbeit anfangen? Wann erkennt man eine Verspätung? Wann ist der richtige Moment, um gegenzusteuern? Und wie schafft man es, dass insgesamt mehr Dynamik, die vielfach ersehnte Change-Dynamik, entsteht?

Ob von Konfuzius oder nicht, ich stimme dem Gedanken zu: «Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.» Durchstarten kann man nur, wenn man weiss, wie’s funktioniert und wenn man es beherrscht. Dieses Startklar-Werden ist meist kein Hexenwerk und es braucht noch nicht mal besonders lange. Aber es braucht Fokus und den Mut, erst dann loszurennen, wenn man weiss, wohin und wie.

Ganz praktisch geht es um ein paar Hausaufgaben, die zu erledigen sind: das sauber definierte Zielbild, eine durchdachte Roadmap, eine verlässliche Vorgehensweise, eine überzeugende Kommunikationsstrategie. Alle wissen, dass diese Grundlagen der Projektarbeit wichtig sind. Und doch wird immer wieder losgaloppiert, ohne solche Punkte geklärt zu haben. Leicht zeitversetzt fallen diese Unterlassungssünden den Beteiligten bleischwer auf die Füsse.

Dynamik ohne Taktung

Ich denke an mindestens zwei Effizienzprogramme in Konzernstrukturen, in denen nicht klar kommuniziert wurde, dass es einen dringenden Handlungsbedarf gab, weshalb ausserhalb des Projektteams auch kaum jemand zügig im Thema unterwegs war. Das «Weg-von» war nicht klar, das «Hin-zu» auch nicht. Effizienz blieb lange undefiniert und deshalb angstbesetzt, was eher lähmend als beschleunigend war.

Auch passiert es immer wieder in Projekten, das reportet wird, wann Massnahmen geplant sind, nicht aber, welches Ziel mit diesen Massnahmen erreicht werden soll. Wenn alles vor allem eine Abfolge operativer Massnahmen ist, bleibt nach meiner Beobachtung insbesondere das Timing unverbindlich. Es kann dann eben auch später gemacht werden, was vom Ziel aus betrachtet längst hätte erledigt werden müssen.

Überhaupt ist es eine Verlockung in Projekten – und auch im Management des Tagesgeschäfts – die Frage «Was» zu beantworten, ohne die Fragen «Wozu» und «Wie» gestellt zu haben. Und so passiert es z.B. gar nicht so selten, dass Massnahmen definiert werden, die dann ein Brainstorming auslösen über andere, auch irgendwie reizvolle, wenn auch nicht in diesem Zusammenhang zielführende Massnahmen.

Timing und Dynamik

Alles fängt im Projektteam an. Dort müssen alle Beteiligten in der Aufstartphase dasselbe Verständnis entwickeln von dem, was erreicht werden soll und davon, was dafür bis zu welchen Terminen zu tun ist. Sie müssen durchdrungen haben, worum es wirklich geht (und das ist eine andere Ebene als das operative Lieferergebnis), welche Knacknüsse zu bewältigen sind und wie deshalb vorzugehen ist.

Wichtig ist, dass Führungskräfte ihren Teams und Projektleiter den vom Projekt Betroffenen ebenfalls Zeit zugestehen, um ein Thema zu durchdringen und dann Fahrt aufzunehmen. Schliesslich haben sie selbst auch eine gewisse Zeit dafür gebraucht. Wenn sie dann soweit sind und damit einen Vorsprung gegenüber der Organisation erreicht haben, brauchen sie ein Quantum Geduld, um die nächste Ebene ebenfalls Fahrt aufnehmen zu lassen.

Und dann muss der Projektstart kraftvoll sein wie ein Stein, der ins Wasser fällt und konzentrische Kreise auslöst, die immer weiter über das Wasser ziehen. Dafür braucht es mehr als fachlich-inhaltliches Projektmanagement. Es braucht integriertes Change-Management. Es reicht nicht, wenn fachlich-sachlich To-Do’s in der Organisation verteilt werden. Es braucht Ausrichtung, gemeinsames Verstehen und auch das Commitment zum erforderlichen Timing.

Weise Taktung

Gutes Timing ist schwierig, aber es gelingt auch oft. Die weisen Management- und Projekt-Teams, die ich ebenfalls oft erlebe, wollen für Transformationsphasen eine Systematik und ein gut geplantes Timing. Sie fragen nicht nur nach schnellen Ergebnissen, sondern auch danach, was es braucht, damit Ausrichtung und Dynamik in der Organisation entsteht.

Ich erinnere mich sogar an einen CEO eines Konzerns, der sich im Coaching mit der Frage der persönlichen Weisheit und Reife (beides wissenschaftlich fundierte Konzepte aus der Psychologie) befasst hat, um in der Führung seines Management-Teams und der Gesamtorganisation effizient vorgehen zu können. Er wollte situativ führen und suchte nach dem richtigen Timing, um Veränderung und Lieferergebnisse einzufordern, dabei manchmal auch zu überfordern und insgesamt in der Unternehmenstransformation zügiger voranzukommen.

Solche Beispiele zeigen: Ausrichtung, Timing und Dynamik auf dem Weg einer Organisation vom Heute ins Morgen kann man planen. Genau das nenne ich Transformationsmanagement. Mehr dazu auf dieser Website in der Rubrik Organisationsentwicklung auf der Seite Transformation.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Bildquelle: www.gograph.com