Projekterfolg ist manchmal eine Frage der Betrachtung. Mit einem gluckernden Liter Weissbier im Bauch sitze ich mit dem Projektleiter in einer Beiz. Wir blicken auf die vergangenen Monate und auch in die Zukunft. War das Projekt erfolgreich? Es ging um den Markteintritt in einem neuen Geschäftsfeld. Was erreicht werden konnte, wurde erreicht. Aber nicht alles, was die Firma wollte, hat sie schlussendlich bekommen. Es gab viele Umfeldfaktoren, die die Firma und das Projektteam nur zum Teil beeinflussen konnten. Projekterfolg kann auch bedeuten: Alle sind klüger geworden dabei und können ihre Zukunft nun besser gestalten.

Liefere nöd lafere

Mit Blick auf die Termintreue und die erarbeiteten Lieferergebnisse ist klar: Das Projekt hat geliefert, was es sich vorgenommen hatte. Das Team hat viele Klimmzüge gemacht, Dokumente in letzter Minute fertiggestellt, das Steering Committee mit aufwändigen Statusreports versorgt und intern die nötigen Entscheidungen herbeigeführt. Das war nicht immer einfach. Auch weil das Projekt mit den typischen Herausforderungen einer strategischen Initiative konfrontiert war. Unternehmensweite Bedeutung und bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Für den Projektleiter bedeutete das: Führen ohne Vorgesetztenfunktion, quer zur Linie. Für die Mitglieder des Projektteams bedeutete es: Diener zweier Herren sein. Sie mussten sich sowohl mit dem Projektleiter als auch mit ihren Linienvorgesetzten abstimmen.

Engagement und Lieferbereitschaft waren hoch. Im Eifer des Gefechts gab es durchaus auch ein paar Dinge, die nicht rund liefen und da gehobelt wurde, flogen auch Späne. Genau genommen war die Organisation nicht zu jedem Zeitpunkt in der Lage, so zielgerichtet und abgestimmt zusammenzuarbeiten, wie es das Projekt erfordert hätte. Das Projektteam hat das durch Tatkraft wettgemacht: Alle haben sich voll eingesetzt, und mehr wäre wohl nicht möglich gewesen.

Projekterfolg in Entscheidungsgremien

Über den Projekterfolg wurde wesentlich in Sitzungen des Verwaltungsrats geurteilt. Die «Management attention» war durchgängig hoch und die Entscheidungen so gewichtig, dass nicht nur Steering Committee und Top-Management darüber beraten mussten, sondern der Verwaltungsrat wesentliche Weichenstellungen vornehmen musste.

Für das Projektteam wurde manche Arbeitsphase dadurch knapper als aus dem Sachverhalt heraus nötig. Unterlagen für den VR gingen zunächst in die letzte Managementsitzung vor dem VR-Termin und zwar mit ein paar Tagen Vorlauf. Die wirklich heissen Termine im Projekt waren die Deadlines, zu denen die Entscheidungsvorlagen in den Gremienlauf gingen, nicht diejenigen Termine, die aus der Sache heraus oder durch Vorgaben von externen Partnern gesetzt waren. Hätte man das anders machen können? Nicht wirklich.

Projekterfolg durch Steuerung und Improvisation

War der Projektleiter erfolgreich? Ich glaube, er hätte gerne manches anders, schneller und besser gemacht. Er ist ein sehr praktischer Mensch, surft gern durch operative Details, hat aber auch das Gesamtbild, Zusammenhänge, Abhängigkeiten und strategische Implikationen im Blick. Mit dieser Kreativität und assoziativen Gedankenführung ist er nicht allein im Unternehmen. Auch die Entscheidungsträger steigen fachlich in Themen ein und oszillieren in ihrer Betrachtung der Dinge zwischen Helikopter-Sicht und operativen Details.

Der Projektleiter hat gut zu diesem Projekt gepasst, fachlich wie auch vom Vorgehen her, denn er hat sich durch keinerlei Drehungen und Wendungen aus der Ruhe bringen lassen und stattdessen pragmatisch improvisiert, um zum Ziel zu kommen. Er empfiehlt sich für viele Aufgaben, bei denen der Ball ins Netz gespielt werden muss, auch wenn die Regeln im Spiel wechseln.

«Lessons learned»

Ein Projekt kann abgeschlossen werden, wenn die letzten Lieferergebnisse erreicht sind und die Weiterführung der Arbeiten aus der Linie heraus möglich ist. Zum Projekterfolg gehört, dass die Organisation im Projektverlauf klüger geworden ist. Typischerweise finden zum Abschluss eines Projekts «Lessons-learned-Workshops» statt, in denen die Beteiligten reflektieren, was gut und was nicht gut gelaufen ist und wie man künftig dafür sorgen kann, dass die Dinge insgesamt besser klappen.

Das war in diesem Projekt nicht der Fall. Zum Projekterfolg gehörte, dass parallel ein anderes Projekt gestartet wurde: ein Strategieentwicklungsprozess, in dem das Management-Team vieles reflektiert hat, was einerseits die Gegenwart der Organisation bestimmt und was andererseits für die Gestaltung der Zukunft nötig ist.

Das Projekt hat mit dazu beigetragen, dass die Organisation sich zu einer umfassenden Transformation entschieden hat, über Strukturen, Prozesse, die eigene Leistungskraft und Marktfähigkeit und die Unternehmenskultur nachzudenken. Die Beteiligten und insbesondere das Management-Team haben meinen Respekt für diese Entscheidung. Ich bin sicher: Sie werden es schaffen, sich teilweise neu zu erfinden und ihren Erfolg in der Zukunft fortzusetzen.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Den Blick auf Bern und die Berge bietet das Restaurant Grosse Schanze am Bahnhof.