Mut zur Führung – braucht es das wirklich? Muss eine Führungskraft nicht vor allem kompetent und erfahren sein und auf Menschen eingehen können?
Meine Beobachtung ist, dass viele Führungskräfte unsicher sind, wie sie die Balance zwischen klaren Richtungsvorgaben einerseits und integrativ-partizipativer Mitarbeiterorientierung andererseits gestalten.
Hierarchie und Arbeitsteilung
Wussten Sie, dass im alten Griechenland «Hierarchie» die Ordnung der Menschen, Tiere, Gestirne und Sachen untereinander bezeichnete? Die alten Griechen glaubten, dass ein System durch die geordnete Beziehung der Elemente zueinander definiert ist und dass dazu auch die Unterscheidung gehört, was übergeordnet und was untergeordnet ist.
In Unternehmen definiert Hierarchie die Über- und Unterordnung von Organisationseinheiten und Rolleninhabern. Sie dient der Arbeitsteilung und damit der Effizienz.
Dasselbe gilt für Organisationsformen, die allesamt die Frage nach der Gestaltung von Hierarchie beantworten. Ob Sparten- oder Linienorganisation, Matrix oder SAFe – immer geht es um das Ordnen der strategiekonformen Zusammenarbeit von Menschen und Organisationseinheiten.
Autorität und Führung
Autorität besagt, dass einer Person oder Institution zugeschrieben ist, dass sich andere nach ihr richten. Autorität ist nicht gleichbedeutend mit dominantem Verhalten. Es bedeutet, dass Führung etwas anderes ist als Nicht-Führung und als Aufgabe zugeordnet sein muss – Einzelpersonen oder Gruppen.
Die Aufgabe der Führung ist es, den Rahmen für Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu schaffen. Dazu gehört: Austausch organisieren, Positionen zusammenfassen, Entscheidungen herbeiführen und manchmal auch das letzte Wort zu haben.
Führung als Eigenschaft der Organisation
Organisationen sind darauf angewiesen, dass Führung stattfindet. Dabei geht es nicht um den persönlichen Stil von Führungskräften im Umgang mit Mitarbeitenden. Wer führt, trägt aktiv dazu bei, dass die Organisation zukunftsfähig bleibt.
Führung sorgt dafür, dass die Organisation ihre Aufmerksamkeit auf Markt- und Umfeldveränderungen richtet. Dass sie immer wieder den eigenen SOLL-Zustand hinterfragt, mit dem IST-Zustand abgleicht und das Delta zwischen IST und SOLL schliesst. Oder anders gesagt: Führung entwickelt die Ziele der Organisation und plant und überprüft die Strategieumsetzung.
Missverständnisse zu Führung und Macht
Führungskräfte, die einen eher zurückhaltenden, integrativen Kommunikations- und Verhaltensstil pflegen, verwechseln unter Umständen klare Führungsimpulse (die für Orientierung sorgen) mit einem autoritären Führungsstil (der Mitarbeitende einengt).
Auch in Teams gibt es Missverständnisse zum Thema Führung, z.B. bei der Einführung von Methoden agiler Zusammenarbeit. Ziel dabei ist, durch partizipative Methoden das Wissen und die Potenziale der Organisation zu nutzen. Agile Teams arbeiten weitgehend hierarchiefrei und interdisziplinär.
Die Aufgaben der Führung verschwinden nicht, wenn alle vieles gemeinsam machen. Sie sind dann einfach nicht mehr an eine einzelne Person gekoppelt, sondern liegen teilweise in der Verantwortung des gesamten Teams. Das Team muss dafür sorgen, dass Führung stattfindet –durch die Anwendung von agilen Methoden, die Arbeit am agilen Mind-set, durch Feedback und Verhaltenskorrekturen.
Führung und Accountability
Was passiert, wenn grosse Projekte und wichtige Themen in die Verantwortung von mehreren Personen gelegt werden, ohne dass es einen «Primus inter pares» gibt?
Meine Beobachtung ist, dass solche Konstellationen schwierig sind. Partikularinteressen werden nicht aufgelöst. Viele wollen mitreden, was nicht bedeutet, dass jemand sich «accountable» fühlt. Accountable = man kann zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist mehr als «responsible» = man ist zuständig, z.B. für die Erledigung von Aufgaben.
Führungskräfte, die ihren Teams die Zuständigkeit für grossen Themen übergeben, ohne die Accountability geklärt zu haben, schaffen ein unfaires Machtvakuum. Die Gruppe hat das Risiko, sich auszupowern und Kraft zu lassen, weil die Macht zum Letztentscheid und zum Ausgleich von Interessen fehlt.
Mut zur Führung in agilen Teams
Mut zur Führung hat mit dem Wissen zu tun, dass Macht unverzichtbar für die Durchsetzung von Themen in Organisationen ist. Es kann die Macht einer klugen Idee sein, die Personen und Teams den Weg zum Ziel ebnet. Es kann auch schlichtweg die Macht einer Person in einer Rolle sein, die denselben Effekt hat.
In agilen Strukturen liegt es in der Macht des Teams, Strukturen und Abläufe so zu nutzen, dass Ergebnisse erzielt werden. Die Macht des Teams erwächst aus der Macht der Idee. Nur wenn alle Mitglieder des Teams Ja sagen zum agilen Mind-set und zu agilen Werten, führen agile Methoden zu besseren Ergebnissen.
Power im Sinne von Kraft
Nicht nur agile Teams sollten sich sorgfältig mit der Definition von Rollen und Spielregeln der Zusammenarbeit befassen. Weil Rollen und Regeln powerful sind. Sie entfalten in der Umsetzung Kraft.
Rollen und Regeln sind autoritär. Sie gelten, denn sie legen fest, wonach sich alle richten müssen. Auch in agilen Teams. Es ist eine Frage der Selbstführung von agilen Teams, dass Rollen und Regeln eingehalten werden. Führung und auch Selbstführung in Gruppen beinhaltet, dass das Nicht-Einhalten von Rollen und Regeln thematisiert und korrigiert wird.
Auch das erfordert Mut in der Führung. Jemand muss die Stimme erheben, alle sind dafür verantwortlich. Und wenn «jemand» und «alle» am Ende gleichbedeutend mit «niemand» ist, dann hat das agile Team versagt.
Führung und Selbstführung erfordern Klarheit, Verbindlichkeit, Konsequenz, Accountability, Wertschätzung von Einzelpersonen und von Vielfalt, Inspiration, Motivation und – Mut zur Führung. Damit müssen sich Führungskräfte und agile Teams auseinandersetzen.
Zum Glück ist vieles an Führung handwerklich. Wollen Sie Ihr Team entwickeln? Wir begleiten Sie gern.
Transformationale Führung
Transformationale Führung zielt darauf, Teams zur Entfaltung zu bringen. Die Aufgabe der Führung besteht darin, die intrinsische Motivation der Teammitglieder freizusetzen und das Team zu Performanz und Ergebnissen zu führen.
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
- Blog-Beitrag: Führung und Transformation
- Teamentwicklung
- Management-Alignment
- Artikel von Linda Pütter auf Linkedin
Bildquelle: www.gograph.com