Die Häufigkeit von Change war Gegenstand unserer letzten Umfrage auf der CambiaLINE-Website: «Wie häufig gibt es in Ihrer Organisation Change-Projekte?» Die Antworten spiegeln das, was ich im Beratungsalltag erlebe. Change ist häufig. Und führt zu einer leichten Müdigkeit, weil – wie man in meiner westfälischen Heimat sagen würde – immer wieder eine neue Sau durch’s Dorf getrieben wird. Ausserdem erkennbar: Auch wenn Change häufig, etwas Normales, etwas Notwendiges ist… das muss noch lange keine Unternehmenstransformation ergeben.
Change oder Transformation
Ein Grossteil der Teilnehmenden hat angeklickt, dass viel optimiert und wenig transformiert wird. Was ist der Unterschied?
Es gibt verschiedene Spielarten der Veränderung. Die Häufigkeit von Change ergibt sich vor allem aus Optimierungsprojekten. Ein spezifisches Thema wird weiterentwickelt. Ein Teilbereich der Organisation verändert. Eine strategische Initiative ausgerollt. Change wird in solchen Fällen als Projekt oder als Projektportfolio geführt. Change-Management ist in diesem Zusammenhang eine Art des Projektmanagements, die nicht nur auf der Sachebene etwas verändert, sondern auch Verhaltensweisen der Mitarbeitenden berücksichtigt, zum Thema macht und neu modelliert.
Transformation ist umfassender als das Management von Change-Projekten. Transformation ist getrieben von dem Willen der Organisation, die eigene Zukunftsfähigkeit abzusichern. Die Frage dabei ist immer: Wie kommt das Neue in die Organisation? Die Antwort sind häufig Methoden, z.B. Szenario-Techniken zur Entwicklung von Zukunftsbildern, Kreativ-Prozesse zur Generierung neuer Ideen, agile Methoden zur Weiterentwicklung im Abgleich mit Kundenbedürfnissen. Oder auch: Strategieüberprüfung und -entwicklung als wiederkehrende Aufgabe des Managements.
Meine persönliche Beobachtung ist, dass heute lieber von Transformation als von Change-Management gesprochen wird, insbesondere auch im Kontext von Digitalisierung, dass aber in Tat und Wahrheit meistens themenspezifische Veränderungsprojekte darunter verstanden werden.
Veränderung oder Veränderungsfähigkeit
Agilität ist heute ein zentraler Veränderungswunsch vieler Organisationen. Methoden, die ursprünglich aus der Software-Industrie kommen, werden längst ganz selbstverständlich in vielen Branchen angewandt. Scrum, Kanban, Design Thinking, Daily-Standup-Meetings – das nutzen viele Teams zur Selbstorganisation. Die Häufigkeit von Change ergibt sich auch aus der Verbreitung solcher Methoden.
Ob die Organisation auf diese Weise tatsächlich veränderungsfähig ist, zeigt sich an den erzielten Ergebnissen. Für Umsetzungserfolge braucht es mehr als Ideen, Motivation und agile Arbeitsmethoden. Es braucht interdisziplinäre Gremien und entscheidungsfähige Boards, welche die Energie der Organisation innerhalb strategischer Leitplanken ausrichten. Es braucht eine Priorisierung der Veränderungsthemen, Investitionsentscheide und ein gemanagtes Projektportfolios. Und bei aller Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft muss die Organisation gegenüber Kunden und Markt lieferfähig bleiben.
Top-down oder bottom-up
In der Umfrage gingen viele Klicks auf die Aussage, dass alle zwei bis drei Jahre wirklich grundlegende Veränderungen in der Organisation passieren. Das entspricht meiner Beobachtung in Beratungsprojekten. Eine Organisation kann sich agil entwickeln und dann doch rechts überholt werden von Ereignissen im Umfeld oder auch in der eigenen Organisation.
Wenn z.B. durch regulatorische Veränderungen die Spielregeln für ein Geschäftsfeld neu definiert werden, wenn Erträge einbrechen oder wenn ein Skandal das Unternehmen zum Umdenken zwingt, dann hilft Scrum allein nicht weiter. Dann ist das Problem klar und die Problemlösung muss mit viel Disziplin und möglichst zügig erfolgen. Dann haben wir es mit einer hoffentlich top-down gesteuerten radikalen Transformation zu tun.
Weniger dramatisch ist es, wenn nicht eine Krise der Auslöser ist, sondern schlichtweg neue strategische Prioritäten. Dann ist es meist eine Kombination aus bottom-up und top-down. Die Vorgabe, wohin die Reise geht, kommt von oben. Es bleiben bottom-up die Spielräume für die Umsetzung in verschiedenen Organisationseinheiten.
Die Häufigkeit von Change erklärt sich in vielen Unternehmen nach meiner Beobachtung durch den folgenden Mechanismus: Eine Idee entsteht oder Handlungsdruck kommt auf. Eine Lösung wird agil entwickelt. Es fällt ein Umsetzungsentscheid, ein Startschuss top-down. Es beginnt die Ausarbeitung der Lösung, auf die der Roll-out in die Breite der Organisation folgt. Dafür wird ein Plan geschmiedet, der unterwegs justiert wird. Ist das Change-Management oder Transformation? Es ist beides. Die trennscharfe Verwendung der Begriffe überlasse ich akademischen Diskursen.
Pragmatisch zu Ergebnissen
Mein Ansatz in der Organisationsberatung verbindet Elemente beider Welten. Es ist sinnvoll und zeitgemäss, dass in der Breite einer Organisation agile Methoden eingesetzt werden, damit Teams kontinuierlich ihre Themen an Markt und Wettbewerb spiegeln und das Unternehmen auf diese Weise bottom-up weiterentwickeln.
Wenn aus unternehmensstrategischer Sicht im Management die Entscheidung getroffen wird, ein Thema umzusetzen, dass die Organisation grundlegend verändern wird, dann braucht es einen Plan. Einen Plan im Sinne eines Projekts, das seinerseits agil und flexibel vorangetrieben werden kann, aber eben doch einen Rahmen setzt.
Ein paar klassische Methoden aus der Tool-Box des Change-Managements sind unverzichtbar: eine Stakeholder-Analyse und Stakeholder-Management-Massnahmen, partizipative Formate zur Einbindung der Führungskräfte, Instrumente zur Information und Ausrichtung der Mitarbeitenden, zur Befähigung und Qualifizierung, insgesamt ausreichend Kommunikation und Dialog mit allen, die mitwirken, beitragen und unterstützen sollen.
Eines möchte ich dabei betonen: Weder Transformation noch Change-Management sind inhaltsfrei. Methoden allein, und wenn sie noch so agil, partizipativ und motivierend sind, mögen für Bewegung sorgen. Wichtig ist, dass es zielführende Bewegung in der richtigen Sache ist.
Und insofern plädiere ich dafür, dass auf der Zeitachse die Bearbeitung der Sachthemen und die Bearbeitung von Themen auf der Sozial- und Interaktionsebene gleichermassen geplant und entwickelt wird. Nur so entsteht eine Bearbeitungsarchitektur für das spezifische Veränderungsvorhaben.
Die Umfrageergebnisse
Die Häufigkeit von Change erklärten unsere User wie folgt: 35% meinten, dass zwar viel optimiert, aber wenig transformiert wird. 21% finden, dass nichts so stetig ist wie der Wandel. 18% finden, dass alle 2-3 Jahre wirklich grundlegend etwas verändert wird. Zusammen 26% finden, dass im Kern vieles ähnlich bleibt, manchmal sogar Dinge wiederkehren, die schon mal da waren.
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
- Blog-Artikel: Spielarten der Veränderung
- unser Angebot zum Thema Transformation
Bildquelle: www.gograph.com