Welche Rolle spielt Design Thinking in der Strategieentwicklung? Welchen Mehrwert stiftet dieser Ansatz? Wann passen andere Ansätze besser? Wie lassen sich klassische und agile Methoden verbinden?

Auf diese Fragen biete ich als Beraterin Antworten und Lösungen. Dabei greife ich zurück auf langjährige praktische Erfahrung und breites Methodenwissen. Zusätzlich inspiriert bin ich durch meine Tätigkeit als Dozentin für Business Transformation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Zwischen Theorie und Praxis

An der ZHAW habe ich mit Vergnügen eine Masterarbeit zur Nutzung von Design Thinking in der Strategieentwicklung betreut. Ich bedanke mich bei der Verfasserin der Arbeit, Elena Holzheu, für diese Erfahrung und gratuliere ihr zur sehr guten Benotung durch die beteiligten Dozierenden.

Persönlich habe ich ein sehr umsetzungsorientiertes Interesse an hybrider Strategieentwicklung, deshalb habe ich Elenas Arbeit gern unterstützt. Mein Beitrag bestand darin, Kunden und Netzwerkkontakte um ein Interview zu bitten. So konnten wir mit rund 30 Geschäftsleitungsmitgliedern und Strategieverantwortlichen namhafter Unternehmen sprechen.

Fazit aus Interviews mit Strategieverantwortlichen

Mein Fazit nach den Gesprächen mit Führungskräften ist: Design Thinking ist zeitgemäss, anerkannt und trifft auf Neugier. Viele Unternehmen könnten mehr daraus machen, wenn sie mehr darüber wüssten. Gleichzeitig wägen Entscheider klug ab, wieviel Zeit und Energie sie für welche Schritte der Strategieentwicklung einsetzen. Klassische Strategietools zur Reflektion von Markt und Wettbewerb haben Priorität. Design Thinking wird als ergänzendes Tool für kundenzentrierte Ideenfindung wahrgenommen.

Design Thinking als Problemlösungsansatz

Design Thinking ist eine populäre Methode, um nutzerzentrierte Innovationsprozesse zu strukturieren und möglichst treffsicher zu einem Ergebnis zu führen. Viele Elemente von Design Thinking sind nicht neu. Dazu gehören die Arbeit in interdisziplinären Teams, Kundenzentrierung, die Konkretisierung und das Testen von Ideen und die Annäherung ans Ziel in Iterationen. Der Mehrwert von Design Thinking ist, dass diese Elemente zu einem relativ verlässlichen Prozess verflochten sind.

Mich begeistert an diesem Prozess unter anderem der Grundsatz, dass für das Verständnis des Problems ebenso viel Zeit eingesetzt werden sollte wie für das Design der Lösung. Diese beiden Phasen («problem space» und «solution space») werden im Design Thinking als «double diamond» bezeichnet. Dargestellt werden sie als zwei nebeneinander liegende Rauten. Damit wird das Prinzip beschrieben, von einer Hypothese ausgehend zunächst die Breite der Möglichkeiten auszuloten («diverge») und dann zu fokussieren auf ein handlungsorientiertes Fazit («converge»).

Transformationale Führung

Der «problem space» in der strategischen Analyse

Design Thinking beginnt mit der Frage nach dem Problem des Users oder des Kunden/der Kundin, das es zu lösen gilt. Das ist eine andere Ebene als der Outside-in-Blick der klassischen strategischen Analyse, die zunächst Markt, Wettbewerb und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Unternehmenserfolg auslotet.

Für etablierte Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell nicht grundsätzlich hinterfragen müssen, bringt die konsequente Nutzerperspektive von Design Thinking auf der Ebene der Unternehmensstrategie wenig. Soll ein Management-Entscheid z.B. zur Geschäftsfeldentwicklung oder Markteintrittsstrategie herbeigeführt werden, sind klassische Überlegungen zum Marktpotenzial und zur Wettbewerbssituation sinnvoll.

Design Thinking ist ideal für die Produktentwicklung und hilfreich bei der Frage nach einer wettbewerbsdifferenzierenden Positionierung.

Der «Job to be done» in der strategischen Positionierung

Design Thinking geht konsequent und empathisch von den Bedürfnissen von KundInnen aus. Nicht im Sinne von Marktforschung, sondern mit der Frage nach dem «Job to be done» (JTBD) aus Kundensicht. Welche Aufgabe stellt sich ihnen in ihrem Alltag? Welche Lösung kann das Unternehmen dafür anbieten?

Tools aus dem Methodenkoffer von Design Thinking können bei der Positionierung und Definition des Markenversprechens helfen. Sie sind aber nicht ausreichend. Denn die strategische Positionierung muss im Wettbewerb differenzieren und intern Konsequenzen haben.

Michael Porter hat schon Mitte der 90er Jahre pointiert, dass es keine strategische Positionierung ist, die Nummer 1 im Markt sein wollen. Seine Begründung: «There is no best company in an industry because there is no one way to compete».

Die Frage nach der strategischen Positionierung formuliert Porter so: «What customer and customer needs are you actually trying to meet?” Das ist allerdings kein Argument für Design Thinking in der Strategieentwicklung. Denn Ideen sind das eine, die Umsetzung ist das andere.

Erfolgskontrolle durch «superior economic performance»

Michael Porter bezeichnet den Aktienkurs einer Firma als das Ergebnis einer guten Strategie, nicht als das Ziel. Das Ziel sei «superior economic performance», die der Markt dann anerkennend bewerte.

Dafür braucht es mehr als eine kundenorientierte Idee. Es braucht eine gesamthafte Ausrichtung der Organisation auf die Strategie, damit die Leistungserbringung und also das Kundenerlebnis so sind, wie das Markenversprechen behauptet. Der Markt muss mit Nachfrage reagieren, die Zahlungsbereitschaft der KundInnen muss passen, natürlich auch die Kostenstruktur im Unternehmen, so dass aus der guten Idee profitables Business wird.

Diese Ausrichtung der Organisation ist mit klassischen Tools der Strategieumsetzung, agilen Methoden der Geschäftsmodellentwicklung und mit geführten Transformationsprozessen erreichbar.

Design Thinking in der Produktentwicklung

In der Produktstrategie, auch in der Adaption der Unternehmensstrategie in Geschäftsfeldstrategien oder funktionalen Strategien kann Design Thinking Mehrwert stiften.

Nachdem im «problem space»  die Anwender- bzw. Kundensicht so genau ergründet wurde, dass eine pointierte Anforderung an das Lösungsdesign formuliert wurde, beginnt der zweite «diamond», der «solution space». Jetzt geht es darum, Ideen zu entwickeln, sie in Form eines Prototypen anschaulich zu machen, diesen dann mit Anwendern zu testen und zu verfeinern, so dass schlussendlich ein nachfragegerechtes Produkt definiert ist.

Das Ganze ist kein linearer Prozess, sondern passiert in iterativen Schleifen. Entscheidender Unterschied zur klassischen Strategieentwicklung und -umsetzung: Im Design Thinking sind Produktentwicklung und -umsetzung sind eins. Man nähert sich dem Ziel permanent an, die Lösung wird immer besser und Investitionsentscheide sind gut abgesichert.

Intuitive Vorläufer von Design Thinking in der Strategieentwicklung

Aus den Interviews mit erfahrenen Führungskräften habe ich mitgenommen, dass Design Thinking teils faszinierend, in mancher Hinsicht aber auch alter Wein in neuen Schläuchen ist.

Viele Unternehmen entwickeln und testen seit Jahren auch ohne Design Thinking Produktideen mit ihren KundInnen. Das gilt nach meiner Erfahrung insbesondere für Technologieanbieter einerseits und Unternehmen mittlerer Grösse andererseits. Die IT hat ohnehin einen jahrelangen Vorsprung, was agile Methoden eingeht. Für KMU wiederum gilt, dass in einfacheren Strukturen schneller entscheiden und mutiger experimentiert wird und insgesamt flexibler die Richtung korrigieren werden kann.

Solche Unternehmen machen bereits vieles, was durch Design Thinking noch systematischer stattfinden würde. Sie könnten durch Design Thinking aus guten Ansätzen treffsichere Routinen machen.

Grenzen der Anwendung von Design Thinking in der Strategieentwicklung

Die Lust am Kundenkontakt und an Innovation ist auch eine Typfrage. Neugierige Manager mit Passion für den Markt bevorzugen Strukturen, in denen sie gestalten können. Auch wenn sie nicht zur Generation Agile gehören, machen sie Gebrauch von kreativen Methoden wie Design Thinking.

Natürlich gibt es auch langjährige Führungskräfte, die einen «Bias» haben, eine Voreingenommenheit, wenn es darum geht, wie sie den Markt einschätzen. Sie werden nicht unbedingt Energie in einen Design-Thinking-Prozess investieren, weil sie den Nutzen für sich nicht sehen.

Anders schätze ich die Situation in Konzernstrukturen ein. Hier wird viel über «Client centricity» gesprochen und Design Thinking gehört zu den Standards in der Produktentwicklung. Gleichwohl – Kundenorientierung wird oft nicht konsequent vorangetrieben. Weil es noch wichtiger für den persönlichen Erfolg ist, wie man sich intern positioniert. Das bindet oft mehr Energie und Zeit als die Ausrichtung auf den Markt.

Der Charme hybrider Strategieentwicklung

Als Beraterin mache ich in der Strategieüberprüfung und Strategieentwicklung gute Erfahrungen mit einer Kombination aus «klassischen» Strategietools und agilen Methoden wie Design Thinking.

Gut geeignet sind Workshops, in denen interdisziplinäre Teams aus themenverantwortlichen Führungskräften eine Reise entlang strategiebildender Themen machen. Orientierung auf dieser Reise geben Strategietools in geeigneter Abfolge. Das bedeutet: passend zu den spezifischen Fragen, die sich ein Unternehmen stellen muss.

Beispiele für Tools auf der Strategiereise

Für die Entwicklung und Überprüfung der strategischen Positionierung passen Elemente aus dem Design Thinking, z.B. das Überprüfen des «Job-to-be-done» aus Kundensicht, das Entwickeln von Personas und das Testen von Positionierungsansätzen mit Kunden.

Dem vorgeschaltet können Überlegungen zu Marktfeldstrategien auf Basis der Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff stehen. Auch macht es Sinn, das eigene Angebotsportfolios mit Blick auf Wachstumspotenziale und Marktanteile im Wettbewerb zu hinterfragen, bevor die Frage nach einer zukunftsorientierten Positionierung beantwortet wird.

In der Produktentwicklung macht Design Thinking hochgradig Sinn. Veränderungen am Geschäftsmodell lassen sich gut in der Business-Model-Canvas aufzeigen. Wenn ein gewisser Reifegrad der Produktidee erreicht ist, kann auf agile Methoden der Produktentwicklung, z.B. Lean Start-up, gewechselt werden.

Im ganzen Strategieprozess helfen Visualisierungen und Arbeitstemplates, wie man sie aus klassischen ebenso wie aus agilen Methoden kennt. Auf diese Weise wird Strategiearbeit kreativ, lebendig und es entstehen weiter verwertbare konkrete Ergebnisse.

Weiterführende Links in diesem Zusammenhang

Bildquelle: www.gograph.com