Professionelle Change-Konzepte sind die Basis für erfolgreiche Umsetzungsmassnahmen. Zumindest beobachte ich das in Projekten und Gesprächen. Klar, das ist sicher so. Change ist die praktische Gestaltung des Wegs vom Heute ins Morgen. Aber: Der Erfolg fängt vorher an. Meine Überzeugung ist: Organisationsentwicklung braucht passgenaue und kreative Change-Konzepte.

Der Wert von Konzeptarbeit zu Veränderungsprojekten bemisst sich daran, dass die Prozessarchitektur zum Unternehmen, seiner Aufgabenstellung und den damit verbundenen Veränderungszielen passt. Das zeigt sich daran, dass Umsetzungsmassnahmen zielführend gewählt werden und dabei herauskommt, was das Unternehmen weiterbringt.

Beteiligung statt Information

Change-Management – darunter verstehen zum Glück immer weniger Menschen schöne Worte für schwierige Sachverhalte. Denn eins ist völlig klar: Ein gutes Change-Konzept ist viel mehr als interne Kommunikation. Natürlich gehören Information und Dialog z.B. zur Neuausrichtung eines Unternehmens, zum Vorgehen im Change. Natürlich müssen Erwartungen an die Ergebnisse der Veränderung und die Mitwirkung und Beiträge von Mitarbeitenden zum Change vermittelt und verstanden werden.

Klar ist aber auch: Veränderungen funktionieren nicht per Ansage aus dem Top-Management. Das wissen wir nicht erst seit agiler Zusammenarbeit und Lean Change-Management. Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeitende in Unternehmen mit verblüffender Schwarm-Intelligenz wissen, wo es klemmt und was die tieferen Ursachen von Schieflagen sind. Dieses Wissen und diese Energie müssen von Beginn an in den Change-Prozess einfliessen. Genau das will geplant sein. Genau dafür braucht es ein gutes Konzept.

Auftragsklärung und IST-Analyse

Die Beteiligung von Mitarbeitenden fängt idealerweise bei der Diagnose des IST-Zustands an. Es gibt jede Menge Informationsquellen, die sich dafür verwenden lassen. Unter anderem gibt es ein breites Spektrum an Analyse-Tools für Organisationsentwickler, die den Zustand der Organisation erfassen.

Persönlich halte ich viel davon, die Ergebnisse solcher Tool-Analysen mit anderen Informationsquellen zu kombinieren. Ein probates Mittel sind z.B. halbstrukturierte Interviews mit einer bereichs- und hierarchieübergreifenden Auswahl von Mitarbeitenden. Aber auch bereits vorliegende Informationen, wie z.B. Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen tragen zum Verständnis der Ausgangslage bei.

Professionelle Change-Konzepte beginnen damit, diese Informationen und Erkenntnisse so zu verdichten, dass sie als Basis für die Planung des Change-Prozesses taugen. Der Wert der Konzeptarbeit durch den Berater besteht darin, mit erfahrenem Blick genau hinzuschauen, aufmerksam zuzuhören und präzise Fragen zu stellen. Informationen und Eindrücke sind in der Organisation meist zuhauf vorhanden. Weiterführende Erkenntnisse werden oft erst durch einen moderierten Erkenntnisprozess daraus.

Ein von mir geschätzter Kollege fragt gern: «De quoi s’agit-il?». Worum geht es hier wirklich? Die tatsächliche Antwort liegt meist unter den operativen Themen und im Herzen der Organisation.

Veränderungsziele ableiten

Gute Change-Konzepte zielen auf die Vitalfunktionen der Organisation. Sie begnügen sich nicht damit, an operativen Stellschrauben der Organisation zu drehen. Organisationen verändern sich nur, wenn die «underlying issues» adressiert werden, die tieferliegenden Probleme, aus denen Probleme im operativen Geschäft resultieren.

Beispiel Reorganisation. Ein häufiger Eingriff in das organisationale Geschehen, damit die Organisation strategiekonform funktionieren kann. Funktionieren – das bedeutet: Arbeitsteilung einerseits, Zusammenarbeit andererseits. Dazu lassen sich trefflich Organigramme zeichnen.

Aber egal ob von der Spartenorganisation zur Prozessorganisation oder von der Matrix in eine agile Struktur. Es wird nur funktionieren, wenn der Mind-set stimmt und gemeinsame Werte gelebt werden. Es sind keine top-down-Ansagen, die dafür sorgen, dass die Organisation den Blick auf Markt und Wettbewerb richtet, dass sie ihre eigenen Stärken und Schwächen wahrnimmt und wie sie Führung und Zusammenarbeit ordnet. Es sind mentale Programme, an denen Mitarbeitende sich orientieren.

Deshalb auch der Klassiker Reorganisation. Es ist natürlich viel mehr als ein neues Organigramm. Veränderungsziel in Reorganisationsprojekten haben deshalb oft mit Offenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu tun und mit gemeinsamer Identität.

Handlungsfelder und Methodeneinsatz

So wie eine Neuorganisation noch keine performante Organisation ergibt, führen auch Methoden der Zusammenarbeit nicht automatisch zum Ergebnis, dass die Organisation braucht. Auch wenn sie voll im Trend liegen. Nicht jede Organisation braucht Scrum und SAFe. Aber wenn es um Veränderungsfähigkeit und Innovationskraft in einem komplexen Umfeld geht, dann sind Mechanismen der Selbstorganisation und Lösungsfindung aus der Breite der Organisation genau der richtige Ansatzpunkt. Dann sind Methoden agiler Zusammenarbeit das Mittel der Wahl und aus dieser Methodenwahl entsteht fast alles andere.

Die Handlungsfelder im Change leiten sich teilweise aus dem konkreten Umsetzungsauftrag auf der Sachebene ab: mehr Effizienz, niedrigere Kosten, mehr Innovation, neue Produkte, andere Strukturen und Prozesse für eine andere Funktionsweise der Organisation – whatever. Dafür müssen Lösungen entwickelt werden, denn da drückt ganz akut der Schuh. Aber das ist eben nur die halbe Miete.

Veränderungsziele und Handlungsfelder im Change unterstützen das Geschehen auf der Sachebene. Wenn ein Unternehmen Kosten nachhaltig senken will, lohnt es sich, nicht nur über die aktuelle Kostenstruktur, sondern auch über das Kostenbewusstsein und Ausgabeverhalten nachzudenken, das zu dieser Kostenstruktur geführt hat. Das hat oft mindestens so viel mit der Unternehmenskultur wie mit Geld zu tun. Auch hier funktioniert der Wandel nicht, wenn die Betroffenen nicht zu Beteiligten werden.

Mechanik der Veränderung

Meine feste Überzeugung ist: Für Veränderungsvorhaben braucht es Change-Konzepte. Natürlich nicht im Sinne des alten Wasserfallprinzips. Es ist naiv zu glauben, Veränderung verliefe linear.

Was man aber planen muss, damit es stattfindet: Zeit und Raum für Reflexion und Kreativität. Und Mechanismen, die aus Gedanken Ergebnisse machen. Der Wert guter Konzeptarbeit im Change besteht darin, einen Lernprozess der Organisation zu strukturieren.

Das betrifft insbesondere auch die Prozesssteuerung selbst. Der Wert guter Konzeptarbeit im Change besteht im systemtheoretischen bzw. kybernetischen Beobachten zweiter Ordnung. Das bedeutet: das Beobachten beobachten. Das Change-Konzept definiert und realisiert Mechanismen organisationalen Lernens. Und während der Umsetzung muss im Change-Management beobachtet werden, wie gut diese Mechanismen funktionieren. Daraus entsteht der Feinschliff von Massnahmen und die Weiterentwicklung des Change-Konzepts im Verlauf des Veränderungsvorhabens.

Beispiel Change-Botschafter. Die Projektleitung eines Change-Projekts tut gut daran, von Beginn an regelmässige Arbeitstreffen einer interdisziplinär zusammengesetzten Gruppe von Mitarbeitenden durchzuführen. In diesen Arbeitstreffen geht es darum, die Ausgangslage und den Fortgang der Dinge zu hinterfragen und Ideen zu entwickeln, wie es sinnvoll weitergehen kann.

Für solche iterativen Schleifen von Reflexion und Prozesssteuerung gilt nach meiner Überzeugung, dass ganz konkrete Ergebnisse dabei herauskommen müssen. Nichts muss in Stein gemeisselt sein und alles kann sich verändern und verfeinern. Der Anspruch muss sein, Energie und Dynamik in den Veränderungsprozess zu bringen: mit Experimentierfreude und dem Willen, konkrete Ergebnisse und Nutzen für das Unternehmen zu erzielen.

Grenzen der Partizipation

Nicht in allen Veränderungsprozessen können partizipative Formate das Vorgehen dominieren. In krisenhaften Transformationen hilft alles nichts: Steuerungsimpulse und wesentliche Leitplanken des Handelns müssen top-down vorgegeben werden.

Denn während Change-Projekten, in denen es um eine vorausschauende Selbsterneuerung geht, einem selbstbestimmten Zeitplan folgen, stehen Change-Projekte, in denen es um Krisenbewältigung geht, unter echtem Zeitdruck, z.B. durch eine Umsatz- und Ertragskrise.

Aber auch in krisenhaften Phasen funktioniert der Change nicht ohne die Beteiligung von Mitarbeitenden. Beispiel Kostensenkungsprogrammen. Es werden keine nachhaltigen Ergebnisse erzielt, wenn die Verantwortung für die Umsetzung von Sparmassnahmen nicht mit Führungskräften und Mitarbeitenden geteilt wird. Allerding muss sehr klar markiert sein, inwieweit sich Mitarbeitende einbringen können und sollen. Es wird stärker ums Operationalisieren als ums Gestalten gehen.

Die Herausforderungen im Change-Management sind immer wieder anders. Es gibt keine Musterlösungen. Es gibt Methoden und Werkzeuge, die sich bewährt haben. Wie sie wann wofür eingesetzt werden, genau das definieren Change-Konzepte.

Vorfreude

Mitte Dezember enden meine Kurse zum Thema Transformation Management an der ZHAW. Die Teilnehmenden werden in ihrer Abschlussarbeit Change-Konzepte vorstellen. Ich freue mich auf die Präsentationen und bin sicher, diese Abschlussarbeiten sind Beispiele für den Wert von Konzeptarbeit im Change.

Bildquelle: www.gograph.com