Transformation in der Unternehmenskrise ist eine besondere Herausforderung. Das Gespräch mit dem CFO einer mittelgrossen, international aufgestellten Firmengruppe, die Lebensmittel herstellt, brachte mich ins Grübeln. Er erzählte davon, wie das Unternehmen in Schieflage geraten war. Er ist ein Mann der Zahlen, keine Frage. Aber eben ein strategisch denkender, der nicht nur auf die Abschlüsse der letzten Monate schaut, sondern an die Zukunft und das Wohl des Unternehmens denkt. Und so war es kein Gespräch über Zahlen, sondern über unternehmerisches Handeln und Führung.
Umsatzdelle und Wachstumserwartungen
«Seit ein paar Jahren sehen wir, dass die Business Unit 2 nicht performt. Es ist ein Jammer, denn die Inhalte für diese Lebensmittel kosten deutlich weniger als die fertigen Produkte im Supermarkt. Die Margen sind sehr gut. Ok, die Produktionsstätten und die Prozesse sind nicht optimal. Dafür ist die Bereitschaft hoch, in Infrastuktur und Produktionskapazität zu investieren.»
Das Unternehmen hat immer an die Business Unit 2 geglaubt. Man hat investiert. Man hat machbare bis ambitionierte Budgetvorgaben definiert. Aus der Erwartung heraus, dass Wachstum so gut wie sicher ist. Aber die Kurve ging nicht nach oben.
Was der CFO sagte, klang nach einer vorübergehenden Delle in einer Erfolgsgeschichte. Wäre da nicht der Unterton gewesen. Und die abstrakte Formulierung. Eine Business Unit, die nicht performt. Das wollte ich genauer wissen und so habe ich gefragt, wer da eigentlich was genau gemacht hat, was die Unit am Ende nicht performen liess.
Die Managementkrise
«Der Chef der Business Unit war operativ in allen Details. Ohne ihn ging irgendwann nichts mehr. War er krank, standen die Räder still. Sein Schreibtisch war bedeckt mit Stapeln von Papier. Er war morgens als erster im Büro und ging abends spät nach Hause. Er hat sogar mal in seinem Auto auf dem Firmenparkplatz übernachtet.» Mit solchen Erkenntnisse kann Transformation in der Unternehmenskrise anfangen.
Oh je. Ein Micro-Manager. Hatte er wenigstens ein paar starke Leute um sich herum? Der Zahlenmann verdreht die Augen: «Er hatte sich nach Abschluss eines Restrukturierungsprojekts einen knapp 30jährigen Consultant geschnappt und als Werksleiter eingestellt. Ein Milchbärtli. Sollte Prozesse optimieren und ist im Tagesgeschäft abgesoffen.»
Das Phänomen sehe ich in vielen Organisationen. In meinem ersten Job hat mein Chef es in knappe Worte gefasst: A people hire A people, B people hire C people. Wenn der Chef nicht die Klarsicht und/oder die Grösse hat, seine Unzulänglichkeiten zu sehen, lässt er sich auch nicht von anderen helfen.
Die Führungskrise vor der Managementkrise
Jetzt bohre ich nach. Schliesslich sitzt vor mir ein blitzgescheiter Zahlenmann, der die Mitverantwortung für die finanzielle Situation des Unternehmens trägt: «Darüber musst Du doch mit eurem CEO gesprochen haben. Wie sah er das denn?»
Der CFO blickt resigniert in seine Kaffeetasse. «Unser CEO hat nicht so viel Vertrauen in seine Führungs-Crew. Genau genommen mischt er sich in vieles ein. Management by helicopter. Über allem schweben, zwischendurch auf den Boden kommen, Staub aufwirbeln, wieder abheben. Es führt zu Konflikten, wenn Führungskräfte widersprechen und die Hoheit über ihren Verantwortungsbereich behalten wollen. Und so werden sie zu Ausführenden.»
Die Ertragskrise
Ich denke an ein anderes Unternehmen, in dem ich vor einiger Zeit einen Change-Prozess begleitet habe. Ein inhabergeführtes Dienstleistungsunternehmen mit verschiedenen Geschäftsbereichen und einem Netz dezentraler Vertriebseinheiten.
Da war es ähnlich. Wenn der Firmenchef in Sorge um ein bestimmtes Thema war, griff er ein. Nicht selten brachte er konkrete Ideen ein, wie etwas sein sollte oder zu machen wäre. Er war kein geduldiger Leser und Zuhörer. Als Schnelldenker überflog er Unterlagen, die seine Leute mit viel Sorgfalt erarbeitet hatten. Seine Entscheidungen waren relativ unabhängig davon. Schlussendlich brachte sein Führungsstil das Unternehmen in Schieflage.
In der Firma war viel Resignation zu spüren. Führungskräfte und Umsatzträger handelten nach dem Motto: Wenn er es unbedingt so haben will, dann machen wir es eben so. Völlig klar, dass niemand mit Feuereifer bei der Sache war. Die Grossraumbüros waren pünktlich um 17 Uhr leer. Und so kam es, dass die Umsätze zurückgingen, die Produktivität niedrig war, die Kosten im Verhältnis zum Umsatz zu hoch waren und die Erträge sanken.
Die existentielle Krise
Spannend ist, wie das Management reagiert, wenn der Absatz der Produkte oder die Auslastung von Spezialisten zurückgeht. Wenn der Erfolg ausbleibt. Spannend ist, ob der Wechsel im Denken gelingt: von Wachstum und Investition in den Ausbau der Kapazitäten hin zu Konsolidierung, Straffung, Fokussierung, ernsthafter Priorisierung. Die Frage ist, ob das Management in aller Klarheit sieht, wie weit die Unternehmenskrise vorangeschritten ist.
«Als wir uns einem Verschuldungsgrad näherten, bei dem Banken nervös werden, weil ihr Kreditrisiko steigt, gab es im Management zwar auch viel Nervosität. Gleichzeitig war aber auch die Unfähigkeit zu spüren, das Ruder wirklich herumzureissen – eine emotionale Blockade», sagte der CFO des Lebensmittelkonzerns.
Es sei eine unerträgliche kognitive Dissonanz bei der obersten Führung zu spüren gewesen. Schliesslich habe man ja intensivst gemanaget: immer hektischer, mit immer weniger Vertrauen in die mittlere Führung und immer schlechteren Ergebnissen aus dem operativen Betrieb, erbracht von immer stärker ausgebremsten, resignativen Fachkräften. Mehr vom selben, obwohl es falsch war. Es gab eine unkontrollierte Beschleunigung ins Negative.
Transformation in der Unternehmenskrise fängt mit dem Eingeständnis an, dass die Firma kurz davor ist, ein Sanierungsfall zu werden. Es wäre dann nicht mehr mit Optimierungsprojekten getan gewesen, sondern mit einem Auswechseln vielleicht sogar des CEO, damit man die Ursache von allem, die Führungs- und Managementkrise, hätte überwinden können. Schlussendlich wurden P&L-verantwortliche Schlüsselpersonen ausgewechselt und nach tiefer Krise und etwas Fortune mit Grossaufträgen hat sich die Firma wieder gefangen.
Transformation in der Unternehmenskrise
Wenn Firmen in Schieflage geraten, liegt die Ursache oft im Führungsverständnis des Top-Managements. Das klingt soft, ist aber eine harte Wahrheit, die im Turn-around akzeptiert werden muss. Wenn Kostensenkungsprogramme ausgelöst werden, geht ein radikaler Wake-up-Call durch die Organisation. Die Verunsicherung bei Mitarbeitenden ist gewaltig und unumkehrbar. Es braucht dann Licht am Horizont und entschlossenes Handeln auf dem Weg dorthin. Es kommt darauf an, einen wirklich guten Plan zu haben und den grundlegenden Wandel entschlossen einzuleiten, professionell zu begleiten und konsequent durchzuziehen.
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Bildquelle: www.gograph.com