In meiner Tätigkeit als Beraterin begleite ich immer mal wieder Reorganisationen. Manchmal ist die Reorganisation Aufhänger eines Change-Projekts und manchmal einer von mehreren Inhalten innerhalb einer umfassenden Transformation.
Organisationsstrukturen werden relativ häufig verändert. Weil Unternehmen wachsen, internationalisieren, schrumpfen, andere Unternehmen kaufen oder selbst verkauft werden. Weil Organisationseinheiten zusammengelegt oder Prozesse effizienter werden sollen. Weil mehr Transparenz und eine bessere Steuerbarkeit der Einheit angestrebt werden, mehr bereichsübergreifende Zusammenarbeit stattfinden soll oder man bessere Rahmenbedingungen für Innovation oder Agilität im Umgang mit Marktveränderungen schaffen will.
Reorganisationen – von der Theorie in die Praxis
Wenn es um Organisationsdesign geht, fallen in der Schweiz manchmal Formulierung wie «Böxli schieben» oder auch «Chäschtli malen». Damit ist die Tüftelarbeit gemeint, eine strategiekonforme Organisationsstruktur zu entwerfen, auf Stellen und Skill-Profile herunterzubrechen und mit aktuellen Rollen und Ressourcen abzugleichen.
Meist wird eine Neu-Organisation zunächst «auf dem grünen Tisch» entworfen, womit in früheren Jahrhunderten ein mit grünem Filz bekleideter Tisch gemeint war, auf dem Feldherren die Aufstellung ihres Heeres in der bevorstehenden Schlacht planten.
Reorganisationen haben manchmal profane Gründe, z.B. wenn aus zwei Abteilungen eine gemacht wird, weil die zuständige Führungskraft auf der Ebene darüber weniger Direktunterstellte will. Andere Reorganisationen sind strategisch begründet. Strukturen und Prozesse werden geändert, wenn es für die strategiekonforme Leistungserbringung nötig ist – nach dem Grundsatz «structure follows strategy».
Wie auch immer – eher früher als später sind sie da, die in Gesprächen von Hand gezeichneten Organigramm-Entwürfe und bald auch das «Org-Chart» in PowerPoint. Darauf wartet die Belegschaft oft am meisten, wenn eine neue Strategie inklusive organisatorischer Anpassungen verkündet wird. Zwar sind Ausrichtung und Unternehmensziele interessant, doch persönlich unmittelbar relevant ist, wo die eigene Stelle künftig angesiedelt ist und an wen man berichten wird.
In Change-Projekten im Kontext von Reorganisationen geht es darum, beides zusammenzubringen: das, was die Veränderung für die Organisation bedeutet und das, was sie für Einzelpersonen bedeutet. Ziel muss sein, die neuen Strukturen mit Leben zu erfüllen und die Organisation in einen effizienten Liefermodus zu bringen.
Partizipation während Reorganisationen
Der Zuschnitt einer Organisation ist keine basisdemokratische Entscheidung, sondern in aller Regel ein top-down-Entscheid, den Mitarbeitende besser akzeptieren, wenn sie in die Ausgestaltung der Arbeit und der Zusammenarbeit im Team einbezogen werden. Akzeptanz ist ein wichtiger Teilerfolg, denn sie erhöht die Chance auf Umsetzung. Mitgestaltung ist also das Mittel der Wahl, wenn aus Betroffenen Beteiligte werden sollen.
Gesteuerte Partizipation ist die Grundidee vieler Change-Projekte rund um Reorganisationen – wie eigentlich eines jeden Veränderungsvorhabens. Dabei darf nie der Eindruck von Scheinpartizipation entstehen, dass also zur Diskussion gestellt wird, was bereits entschieden ist bzw. an anderer Stelle entschieden wird.
Im Kern geht es immer um ein gemeinsames Verständnis und gemeinsames Handeln: Wo sollten wir morgen stehen? Wo stehen wir heute? Wie schliessen wir die strategische Lücke zwischen IST und SOLL?
Der Handlungsbedarf wird dann besser akzeptiert («sense of urgency»), wenn es eine Faktenbasis gibt, die bei Strategieumsetzungsprojekten meist aus einer Analyse der Ausgangssituation abgeleitet werden. Wenn sich die Anforderungen, die Markt und Wettbewerb an die Organisation stellen, erkennbar ändern, ist die Notwendigkeit der Veränderung klar und sind die Kriterien für den künftigen Erfolg gesetzt. Das ist der Referenzpunkt für Vision, strategische Ziele und eben auch für organisatorische Anpassungen.
Wer kann nun wann woran mitwirken? Wann ist Partizipation ein Thema? Wann für das Führungsteam und wann für die Mitarbeitenden?
Die strategischen Grundlagen erarbeitet in aller Regel die Leitung in Zusammenarbeit bzw. in Abstimmung mit dem Führungsteam. Die inhaltliche Abstimmung dient dem Alignment in der Führung, denn wenn alle Mitglieder des Führungsteams die Dinge gleich sehen, steuern sie die Umsetzung in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen konsistenter.
Reorganisationen in der Grauphase
Nach einer Reorganisation macht es Sinn, die neuen Strukturen möglichst bald in Betrieb zu nehmen. Erst in der Umsetzung gilt der Entscheid, das gilt auch für Reorganisationen.
Rollen und Aufgaben der Neu-Organisation werden «scharf geschaltet», indem Verantwortung klar alloziert wird. Wenn Teams und Einzelpersonen dann nicht im Sinne der Reorganisation arbeiten oder zusammenarbeiten, dann kann über Feedback sehr konkret nachgesteuert werden.
Natürlich muss die Führung dafür sorgen, dass Skills und Ressourcen zu den Aufgaben passen und auch Zeit für die notwendige Befähigung geben.
Aber gleichzeitig muss es losgehen. Vielleicht können Teams noch nicht ihr volles Leistungsspektrum erbringen. Möglicherweise müssen noch Stellen ausgeschrieben und Spezialisten eingestellt werden. Und ganz sicher sind Mitarbeitende noch mit ihren bisherigen Aufgaben beschäftigt, die vielleicht alle auch die künftigen Aufgaben bleiben.
Also gibt es eine Übergangszeit, in der die bisherige Organisation nachwirkt und die neue Organisation schon greift. Neue Projekte werden gestartet, alte Projekte werden auf neue Weise zu Ende geführt, das Tagesgeschäft wird teilweise in anderer Form erbracht.
Das sorgt für Verunsicherung, teilweise auch für Unzufriedenheit. Mitarbeitende müssen neue Routinen entwickeln, werden das eventuell als Kritik an ihrer bisherigen Arbeit empfinden oder Dinge schlichtweg anders sehen.
Der positive Effekt ist: Das gemeinsame Loslegen sorgt dafür, dass die Unumkehrbarkeit der Veränderung spürbar wird und Lieferergebnisse entstehen, welche die Richtigkeit der Veränderung beweisen.