Kürzlich sagte ein Teilnehmer meines ZHAW-Kurses Business Transformation, dass seiner Erfahrung nach Change-Management ohne Nutzen sei. Meistens zumindest. Denn im Kern hätte sich in seiner Firma dadurch nichts geändert: «Es gab viel interne Kommunikation und motivierende Veranstaltungen, aber am Ende war alles wie vorher.»
Ich wollte wissen, worauf es seiner Meinung nach angekommen wäre: «Was genau hat sich denn nicht geändert, was sich hätte ändern müssen?» Die Antwort kam nach kurzem Überlegen: «dass Führungskräfte ernsthaft dafür sorgen, dass sich für Mitarbeitende ein anderes Verhalten lohnt.»
Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeitende unbestechlich genau beobachten, ob sich die Inhalte eines Change-Projektes im Arbeitsalltag wiederfinden. Meistens sind Mitarbeitende guten Willens, die in aller Regel sinnvollen Ziele auch nach Abschluss von Change-Massnahmen weiterzuverfolgen. Allerdings nur, wenn vor allem in der Führung auf schöne Worte gute Taten folgen und Führungskräfte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Mitarbeitende Dinge anders machen. Und zwar nicht, weil es besser für das Unternehmen ist, sondern weil es auch für sie selbst Sinn macht. Sonst bleibt Change-Management ohne Nutzen.
Das Risiko von Change-Management ohne Nutzen
Ich habe einige Change-Projekte erlebt, deren Erfolg zunächst unsicher war und die von Mitarbeitenden mit Skepsis verfolgt wurden. Erst als die Umsetzungskonsequenz in der Führung so weit ging, dass Strukturen, Anreize und Steuerungsimpulse sich im Sinne der Veränderungsziele angepasst wurden, folgte das gewünschte Mitarbeiterverhalten.
Hier folgen ein paar ausgewählte Beispiele für Projekte, in denen Change-Management ohne Nutzen geblieben wäre, wenn Führungskräfte nicht konsequent und aufeinander abgestimmt in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen umgesetzt hätten, was zuvor «gepredigt» wurde:
- Umsatz vs. Rentabilität: Ein global aufgestelltes Dienstleistungsunternehmen misst Erfolg in Umsatz. Wer Umsatz bringt, macht Karriere und verdient besser. Dabei spielt die Rentabilität von Kundenprojekten eine nachgeordnete Rolle. Ein Change-Projekt vermittelte die Chancen einer Steuerung nach Rentabilität, aber erst als KPI angepasst wurden, als Projektportfolios systematisch analysiert wurde und Entscheidungen gegen wenig profitable Projekte getroffen wurden, veränderte sich das Mitarbeiterverhalten im Sales und in der Durchführung von Projekten.
- Kulturwandel vs. Erfolgssteuerung: Eine Regionalbank wollte, dass die Mitarbeitenden sich nach neu definierten Werten verhalten, und thematisierte dies sogar in Zielvereinbarungsgesprächen. Es ging unter anderem um bereichsübergreifendes Teamwork. Solange jedoch Individualziele, z.B. das eigene Kundenportfolio, über die Karriere entscheiden, fehlt die Motivation für gemeinsame Marktbearbeitung. Erst seit die Mitglieder der Geschäftsführung ihre Bereiche stärker aufeinander abstimmen, z.B. mit gemeinsamen Prioritäten und einer aufeinander abgestimmten Taktung von Aktivitäten, arbeiten auch die Teams stärker bereichsübergreifend zusammen.
- Mindset vs. Erfolgsaussicht: Ein führendes Transportunternehmen in der Schweiz wollte ein eigenwirtschaftlich zu betreibendes Geschäftsfeld – es ging um Fernverkehr auf viel befahrenen Strecken – aufbauen. Ein Kontrast zu anderen Geschäftsfelder im subventionsfinanzierten Öffentlichen Verkehr, in dem es nicht Kunden- und Wettbewerbsorientierung ankommt. Im Markteintrittsprojekt wurde ein solcher «Mindset» nicht separat im Sinne von «Kulturwandel» entwickelt, sondern zusammen mit handfesten Neuerungen. Die ernsthafte Bereitschaft des Unternehmens, notwendige Investitionen zu tätigen, Strukturen anzupassen und Ressourcen einzusetzen, hat intern und extern überzeugt, so dass das Unternehmen seine finanziellen Ziele im neuen Geschäftsfeld erreichen konnte.
- Mindset vs. Balance Sheet: Schwierig sind Projekte, bei denen der eingeforderte «Mindset-Change» nicht auf ein bilanzrelevantes Ergebnis zuläuft, was in der Wahrnehmung vieler bei den Mixed Leadership, Diversity und Sustainability der Fall ist. Zwar sind diese Themen relevant für das Image, insbesondere im Arbeitgebermarkt. Aber nur im Thema Nachhaltigkeit sehe ich wirksame Change-Projekte, und zwar insbesondere in börsenkotierten Firmen, die in Nachhaltigkeitsindizes geführt werden wollen, und Aktivitäten entsprechend internationalen Reporting-Standards organisieren.
Aktiv gegen Change-Management ohne Nutzen
Change-Management darf nie «L’art pour l’art» sein, womit ich meine, dass ein Unternehmen von Mitarbeitenden eine Verhaltensänderung erwartet, weil sie damit zur Fraktion der «Besseren» gehören, die auf der richtigen Seite stehen, während Mitarbeitende, die weitermachen wie bisher zur Fraktion derer gezählt werden, die sich falsch verhalten.
Viele Veränderungsprojekte bilden bewusst eine «Allianz der Willigen». Manchmal sind das diejenigen, die auf Management-Ebene bei den Treibern der Veränderung sichtbar werden wollen, weil sie sich davon Vorteile für die eigene Zukunft im Unternehmen versprechen. Es darf aber nicht beim Vorteil informeller Netzwerke bleiben.
Ernsthaftes Change-Management macht das, was für das Unternehmen vorteilhaft, sinnvoll und notwendig ist, zugleich für die Mitarbeitenden vorteilhaft, sinnvoll und notwendig. Das werden am Anfang noch nicht alle einsehen, aber um die Veränderung im Unternehmen zu verankern, müssen alle spüren, dass es sich lohnt, sich anders als bisher zu verhalten.
Change-Management und die Wirksamkeit im Ziel
Den Kurs Business Transformation an der ZHAW gebe ich halbjährlich. Er ist ein Modul des CAS Business Modelling and Transformation und Baustein des Masterstudiengangs Digitale Transformation.
In meinem Kurs sitzen viele Weiterbildungsstudierende, die schon mehrfach erlebt haben, dass Change-Management ohne Nutzen bleibt. Gleichzeitig sind sie überzeugt, dass es auch anders geht, sonst hätten sie nicht meinen Kurs gebucht.
«Es muss möglich sein, es besser zu machen», sagte der Kursteilnehmer, der sich über Change-Management ohne Wirkung beklagt hatte. Und ja, man kann Change-Projekte so planen, durchführen und steuern, dass sie Wirksamkeit im Ziel entfalten.
Change-Management ist dann gut, wenn es «Wirksamkeit im Ziel» entfaltet – die Formulierung hat Carl von Clausewitz in seinem Strategie-Bestseller Vom Kriege geprägt. Die Grundidee des Buches ist, dass für die Zielerreichung ein angemessener Einsatz der Mittel entscheidend ist.
Besonders gefällt mir an der Argumentation des Carl von Clausewitz, dass er innere Gründe für Konflikte annimmt bzw. – bezogen auf Change-Management – tieferliegende Ursachen für Veränderungsbedarf. Insofern unterscheidet er zwischen der notwendigen Dauer von Massnahmen und der Eile, mit der man sie ergreifen will. Das kennen wir aus dem Change-Management: der schnell durchgeführte Workshop bewirkt nicht viel, wenn andere Massnahmen erforderlich sind, um die tieferliegenden Ursachen für die aktuelle Situation zu adressieren.
Ausserdem plädiert von Clausewitz für eine realistische Wahl der Mittel und warnt davor, grosse Wirkung mit geringen Mitteln erreichen zu wollen. Auch das gibt es im Change-Management, das aus Management-Perspektive bis Ende des Jahres fertig sein soll, was in Wahrheit zwei Jahre dauert.
Wirksame Führung statt Change-Management ohne Wirkung
Schlussendlich ist es eine Frage der Führung, ob Change-Management ohne Wirkung bleibt oder aber Wirkung im Ziel entfaltet. Führung verorte ich auf vier Ebenen, und zwar gleichzeitig mit unterschiedlichem Akzent, je nach Herausforderung:
- Führen als Fähigkeit der Organisation: Niemand kann eine Organisation in ihrer Entwicklung kontrollieren, auch ein Management-Team schafft das nicht. Die Aufgabe der Führung ist es vielmehr dafür zu sorgen, dass die Organisation sich selbst führt. Dabei geht es im Kern um den Abgleich von SOLL und IST und dem Schliessen der Lücke zwischen dem Heute und dem Morgen der Organisation. Diesem Ziel dienen klassische Change-Programme wie die zyklische Strategieüberprüfung und -entwicklung, resultierend in Strategieumsetzungsprojekten.
- Führen von Mitarbeitenden: Das Führen von Veränderung erfordert gegenüber Mitarbeitenden andere Impulse als das Führen des Tagesgeschäfts. Während es bei der Steuerung von Leistung in der regulären Leistungserbringung im Wesentlichen um Ziele, Anerkennung und Coaching geht, muss die Führungskraft im Veränderungsmanagement über eine attraktive Vision, Erwartungen an Beiträge und die Einladung zur Initiative sowie durch das eigene Vorbild führen. Auch dieser andere Führungsmodus entfaltet seine Wirkung in Verbindung mit den Grundsätzen situativer Führung.
- Sich selbst führen: Wer in Veränderungsphasen bzw. -projekten Führungsverantwortung trägt, ist in heikler Mission unterwegs, denn es ist ein Weg voller Ungewissheiten. Wahrscheinlich gelingt nicht alles sofort, vermutlich gibt es Widerstände, und wer Fahnenträger ist, muss permanent Stakeholder managen, um auch bei Problemen ihre Unterstützung zu haben. Das eigene Mandat immer wieder zu erneuern, sich abzusichern gegen Boykott oder Angriffe, unterschiedliche Interessen abgleichen und Konflikte managen – auch das gehört zum Führen von Veränderung.
- Den Veränderungsprozess führen: Change- bzw. Transformationsmanagement ist ein geführter Prozess, der planbar ist – inklusive der zu erwartenden Kurskorrekturen. Eine kluge Change-Architektur verkürzt die Dauer der Auseinandersetzung mit dem Neuen und die Produktivitätseinbussen, die Veränderungsprojekte häufig mit sich bringen. Zur Prozessführung gehören das zielgruppengenaue Design und eine vorwärtstreibende Taktung von Change-Massnahmen. Erfolgskritisch ist permanentes, agiles Projektmanagement. Dazu gehört vor allem ein angemessener Führungsrhythmus, z.B. monatliche Meetings, in denen das Management (= die Treiber der Veränderung) den Fortschritt der Veränderung reflektieren und über den weiteren Verlauf entscheiden.
Change-Management ohne Nutzen – das muss nicht sein. Es ist nicht trivial, aber es ist auch keine Raketenwissenschaft, Veränderungsprojekte wirksam zu gestalten. Es hilft (es ist klar, dass ich nicht anders kann, als das zu erwähnen), die Erfahrung und Kreativität von jemandem abzurufen, der nichts anderes macht, als sich für wirksames Change-Management zu engagieren. 😉
Weiterführende Links in diesem Zusammenhang
Bildquelle: www.gograph.com