Ende Oktober beginnt wieder mein Kurs «Business Transformation» an der ZHAW. Er kann einzeln gebucht werden oder als Teil der Masterstudiengänge «Digitale Transformation», «Business Engineering», «Corporate Finance», «IT-Leadership und TechManagement» oder «Supply Chain und «Operations Management».
Ich freue mich, dass ich auch in diesem Jahr wieder an der ZHAW unterrichten darf. Der lebendige Austausch mit den Studierenden macht mir Spass und es erfüllt mich jedes Mal mit tiefer Zufriedenheit, wenn ich erlebe, wie Menschen eigenverantwortlich ihre persönliche Lernreise organisieren und damit auch ihre ganz eigenen Erfolgserlebnisse.
Der Stolz auf das duale System
Weiterbildungen in der Schweiz sind eine florierende Industrie. Die ZHAW ist eine von zehn Fachhochschulen, die Wissenschaft und Berufspraxis verbinden und berufsbegleitende Weiterbildungen anbieten.
Der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) schätzt, dass es insgesamt rund 3’000 Weiterbildungsinstitutionen in der Schweiz gibt und ca. 23’000 Weiterbildungsangebote (Kurse, Seminare, Nachdiplomstudiengänge, strukturiertes Lernen am Arbeitsplatz etc.).
Im Jahr 2021 (so das Bundesamt für Statistik) haben ca. 45% der ständigen Wohnbevölkerung zwischen 25 und 74 Jahren an mindestens einer Weiterbildung teilgenommen. Vor Corona waren die Zahlen höher, es waren fast 64% dieser Teilpopulation. Aber auch im Jahr 2021 haben in der Gruppe der Erwerbstätigen immer noch etwa 54% mindestens einer Weiterbildung gemacht.
In der Schweiz ist man sehr stolz auf das duale Bildungssystem, das Jugendlichen mit der Kombination von Lehre und Berufsschule eine sehr praxisorientierte Ausbildung bietet und später berufsbegleitend akademische Abschlüsse wie Bachelor und Master ermöglicht.
Die Vorteile dieses Systems sind offensichtlich. Jugendliche müssen nicht im Alter von 15/16 Jahren entscheiden, ob sie entweder studieren oder arbeiten wollen. Sie können beides und das Bildungssystem bleibt durchlässig.
Das Geschäft mit Weiterbildungen in der Schweiz
Bei meiner Recherche habe ich leider kaum Zahlen zu Umsätzen im Weiterbildungssektor gefunden. Es scheint nicht einfach, solche Zahlen zu erheben, weil unterschiedliche Institutionen unterschiedliche Zahlen veröffentlichen, die sich anscheinend nicht einfach konsolidieren lassen.
Das wirtschaftspolitische Magazin «Die Volkswirtschaft», das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) herausgegeben wird, hat im Jahr 2009 geschätzt, dass das Marktvolumen für Weiterbildungen in der Schweiz bei rund 5,3 Mrd. Franken liegt. Selbst wenn die Anzahl der absolvierten Weiterbildungen nach Corona gesunken ist, nehmen wir mal an um 25%, würde das Marktvolumen immer noch bei knapp 4 Mrd. CHF liegen.
Die Kosten für einen CAS an einer Fachhochschule in der Schweiz liegen durchschnittlich bei 7’500 CHF. Für einen MAS müssen Studierende zwischen 20’000 CHF und 30’000 CHF zahlen.
Meine Erfahrung als Dozentin an der ZHAW ist, dass Studierende, die selbst so viel Geld für Weiterbildung ausgeben, sehr motiviert am Kurs teilnehmen. Es kann anders sein, wenn der Arbeitgeber die Kosten ganz oder teilweise trägt. Tatsächlich habe ich schon Weiterbildungsstudierende erlebt, deren Kursgebühr der Arbeitgeber bezahlt hat und die ganz überwiegend mit ihrem Handy beschäftigt waren.
Meine Überzeugung ist: Egal wer die Kosten trägt, es reicht nicht, eine Weiterbildung zu machen. Ob sich die Investition in eine Weiterbildung lohnt, entscheidet auch nicht der (nächste) Arbeitgeber, sondern ganz allein der oder die Studierende.
Was Weiterbildungen versprechen
Ohne Weiterbildungsbescheinigungen sieht eine Bewerbung mager aus. Das habe ich als Führungskraft in einer Bank erlebt, wenn ich Stellen zu besetzen hatte. Alle machen Weiterbildungen und versuchen, durch eine Vielzahl von Teilnahmebescheinigungen ihre Bereitschaft zum lebenslangen Lernen nachzuweisen.
Entsprechend investieren Fachhochschulen viel in Marketing, denn – siehe oben – die Budgets sind da und die Konkurrenz ist gross.
Doch was sagen Weiterbildungsbescheinigungen aus und was bringen sie den Arbeitnehmenden?
Es gibt ein breites Angebot von Weiterbildungen, die eine Fachkarriere unterstützen. Ob Marketing, Personalwesen, Informatik und Technologie – alle Themen, die in typischen Support-Einheiten von Unternehmen bearbeitet werden, können erlernt und vertieft werden. Gleiches gilt für Themen im Gesundheitswesen und im Sozialbereich. Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt und wahrscheinlich fast alles mehrfach und an verschiedenen Orten.
Persönlich staune ich immer wieder über die Nachfrage nach hochstrategischen Themen, wie ich auch ich sie in meinem Kurs «Business Transformation» behandle. Die Kursteilnehmenden befassen sich mit der Entwicklung und Transformation von Geschäftsmodellen und viele von ihnen arbeiten als Fachspezialisten auf operativer Ebene.
«Aber gliich», wie man in der Schweiz sagt. Solche Weiterbildungen können auch für Arbeitnehmende, die nicht ins Top-Management gelangen werden, sehr wertvoll sein und viel über sie aussagen.
Was Weiterbildungen bringen können
Was eine Weiterbildung bringt, hängt logischerweise von dem Menschen ab, der sie absolviert und der sich selbst die Frage beantwortet, was die Weiterbildung ihm oder ihr persönlich bringen soll.
Bei den Teilnehmenden meines Kurses erlebe ich über einem Zeitraum von ca. acht Wochen wie sie lernen, Fragen stellen, kreativ arbeiten, oft auch um Qualität und Stringenz der Gedankenführung ringen. In den Abschlussarbeiten geben viele Vollgas und legen sehr überzeugende Ergebnisse vor.
Meine Abschlussnoten sind nicht geschenkt und nicht erkauft. Ich will, dass mein Kurs den Teilnehmenden etwas bringt und engagiere mich voll dafür. Aber ich erwarte auch, dass mit einer Konsumhaltung im Kurs sitzen. Ich weiss, dass an Fachhochschulen immer wieder diskutiert wird, welchen Titel ein Kurs trägt und wie er möglichst unterhaltsam gestaltet werden kann und auch so, dass die Teilnehmenden nicht zu viel machen müssen. Und ja, ich bin auch dafür, dass Weiterbildungsstudierende gut vorbereitete Dozent:innen erwarten dürfen, die Wissen abwechslungsreich vermitteln und respektieren, dass diese Kurse berufsbegleitend absolvieren.
Aber lernen müssen sie selbst und sie müssen es wollen – auch, wenn es anstrengend ist. Damit bringe ich die Kursteilnehmenden manchmal intellektuell ins Schwitzen, wobei der Humor im Kurs eigentlich immer die Oberhand behält. Jedenfalls schaue ich die allermeiste Zeit in interessierte Gesichter, die ganz bei der Sache sind und auch oft fröhlich lachen.
Weiterbildungsstudierende, die mich beeindruckt haben
Weil meine Kurse recht intensiv sind, erinnere ich mich an die allermeisten Teilnehmenden. Zwar habe ich am Anfang immer Schwierigkeiten, mir Namen zu merken, aber wie sie so drauf sind, das beobachte ich genau und daran kann ich mich bei vielen sehr gut erinnern.
An manche dieser Menschen erinnere ich mich noch nach Jahren.
Sehr beeindruckt hat mich eine Studierende, deren Masterarbeit ich in der Corona-Zeit betreuen durfte. Ich habe erlebt, wie sie mit hohem Einsatz und grosser Präzision Inhalte ausgearbeitet hat und eine unbändige Lust auf intellektuelle Herausforderungen hatte. In dieser Zeit hat sie die Diagnose erhalten, dass sie eine Autismus-Spektrum-Störung hat. Ich habe erlebt, wie sie ihre Qualitäten und Talente vollständig jenseits einer defizitorientierten Perspektive ausgelebt hat und bin sicher, sie wird weiterhin ihren ganz individuellen Weg gehen.
Dann habe ich auch diesen smarten Schnelldenker in Erinnerung, der seit vielen Jahren bei einem international tätigen KMU arbeitet, dass Lösungen zum Schutz gegen Steinschlag, Murgänge, für Küstenschutz, im Bergbau und für Tunnel herstellt. Er ist mir im Kurs als intellektueller Praktiker aufgefallen, ist also sozusagen qua Person und Rolle ein Repräsentant und Nutzniesser des dualen Systems.
Heute ist er bei seinem Arbeitgeber zuständig ist für digitale Transformation. Vom Vertriebsassistenten zur Führungskraft in einem strategisch wichtigen Thema – das ist nicht das Ergebnis von Weiterbildungen, sondern seine Leistung. Dass er verschiedene Weiterbildungen absolviert und zu einem roten Faden verbunden hat, sagt etwas über seine Interessen und seinen Wissensdurst aus.
Oder die hochstrukturierte, lösungsorientierte Bankangestellte, die sich in den letzten Jahren von einer Produktmanagerin im Anlagegeschäft hin zur Leiterin Strategisches Prozessmanagement entwickelt hat.
Ich sehe sie noch bei der Abschlusspräsentation: Alles, was sie sagte, war genau auf den Punkt, ihr Auftritt war ebenso gewinnend, wie ihre Argumentationslinie unwiderlegbar war. Darüber hinaus war die Präsentation sorgfältig und kreativ gestaltet.
Diese Frau war sicher ein geschätztes Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Abschlussarbeit geschrieben hat, denn sie war nicht nur motiviert, sondern auch immer auf allen relevanten Ebenen voll bei der Sache. Kein Wunder, dass sie bei ihrem Arbeitgeber strategisch wichtige Change-Projekte führen darf.
Manchmal sitzen in meinem Kurs auch Menschen Ü50, die ihren Berufsweg nicht mehr gestalten wollen und können wie Teilnehmende, die Anfang 30 sind. Gleichwohl sind sie lernbegierig und wollen sich weiterentwickeln.
Ich denke an einen sympathischen Querdenker, der sich vom Verkäufer im Detailhandel zum Bereichsleiter in der IT von Migros und heute zum IT-Allrounder bei einem Anbieter für Finanzierungslösungen und Leasing entwickelt hat.
Er hat im Kurs viele Fragen gestellt und Inhalte gedanklich gegen den Strich gebürstet. Wahrscheinlich hat er einen Berufsweg jenseits der typischen Karrierepfade deshalb geschafft, weil er jeweils seine Art zu Denken einbringen konnte. Weil er vielleicht nicht immer bequem, aber voller Energie und im Kern hochsympathisch ist, wird es für ihn sicher auch gut weitergehen.
Stolz bin ich auf die Studierende, deren Masterarbeit ich vor einem Jahr betreut habe. Zunächst wollte sie ein klassisches Thema auf brave Weise bearbeiten. Wie man Unternehmenskultur entwickeln und dafür einen Werteprozess ausrollen kann. Ich habe mir die Zeit genommen, das Thema mit ihr zu diskutieren und konnte sie für eine systemtheoretische Perspektive gewinnen. Sie ist in der Masterarbeit über sich hinausgewachsen und hat eine intellektuell anspruchsvolle Methodik mit ihren praktischen Erfahrungen bei ihrem Arbeitgeber verbunden.
Es freut mich sehr für sie, dass sie sich mit ihrer wochenlangen Ausarbeitung des Themas selbst ein Erfolgserlebnis verschafft hat, dass sie ermutigt hat, ihre bisherige Stelle aufzugeben, um sich an einem anderen Ort weiterzuentwickeln. Sie wird künftig sicher bewusster nach Projekten greifen, die sie interessieren und fordern. Und das wird ihrem Berufsweg einen neuen Twist geben.
Mit einem Lächeln denke ich an vier IT-Spezialisten aus meinem letzten Kurs. Während des gesamten Kurses hockten sie in der hintersten Reihe, hatten schwarze Base-Caps auf, sprachen wenig und wechselten auf ihren Laptops zwischen Fenstern mit Programmiercode und solchen mit Unterlagen zum Kurs.
Wenn ich sie etwas fragte, mussten sie manchmal gedanklich umschalten auf das aktuelle Kursgeschehen. Was sie dann sagten, war immer clever, einfach weil sie denken konnten. Kluge Köpfe eben, die auch wussten, dass es nicht genug ist, sehr technologieaffin zu sein.
Die Gruppenarbeit zum Abschluss haben sie gemeinsam geschrieben. Für mich war klar ersichtlich, dass sie KI eingesetzt hatten, und zwar auf intelligente Weise. Ihre Arbeit folgte auf perfekte Weise den Anforderungen aus den Kursunterlagen, war makellos formatiert und frei von Fehlern. Zu meiner Erleichterung konnten sie alle Rückfragen gut beantworten, weil sie sich intensiv mit den Inhalten auseinander gesetzt und deshalb eben auch die KI gut gesteuert hatten.
Vorfreude auf den Kursbeginn
Wenn ich darüber nachdenke, was Weiterbildungen in der Schweiz bringen, denke ich an diese und weitere Menschen, die ich in meinen Kursen kennengelernt habe. Sie werden ihren Weg nicht deshalb machen, weil sie Weiterbildungen besuchen, sondern sie machen aus den Weiterbildungen etwas, weil sie ihren eigenen Weg gestalten.
Ich wünsche allen Absolventen meines Kurses, dass sie auf ihrem Berufsweg Führungskräften und Personalverantwortlichen begegnen, die ihre Qualitäten, Talente und Potenziale sehen und ihnen Chancen geben, sich zu entfalten und einzubringen.
Wer Lust hat, meinen Kurs «Business Transformation» an der ZHAW zu besuchen, finden alle Informationen dazu hier unter diesem Link auf der Website zum CAS Business Modelling and Transformation der ZHAW School auf Management and Law.